Vergangener Glanz
Die Mährische Galerie beleuchtet 250 Jahre Textilproduktion in Brünn
14. 1. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Moravská galerie v Brně
Vlněna und Mosilana heißen die baufälligen Symbole. Einst kündeten sie von der Blütezeit Brünns als Zentrum der tschechischen Textilindustrie. Heute sind die beiden Fabriken vom Abriss bedroht. Vom ehemaligen Ruf der Stadt als „mährisches Manchester“ erzählt nun eine Ausstellung in der Mährischen Galerie (Moravská galerie). Sie beleuchtet nicht weniger als 250 Jahre, während der sich die Stadt vor allem durch die Produktion hochwertiger Tuch- und Wollwaren einen Namen machte. Vorgestellt werden nicht nur bedeutende Unternehmen der Familien Offermann, Löw-Beer, Schoeller oder Teuber, die mit ihren Firmen auch eine Basis für weitere wichtige Fachzweige wie den Maschinenbau und die Chemieindustrie schufen. Der Besucher erfährt beispielsweise auch, welche stadtplanerische Umgestaltungen Brünn durch die Errichtung vieler Textilwerke durchlief.
„Für das Textilgewerbe wurden zahlreiche Einzelgebäude sowie ganze Areale errichtet, tausende Menschen strömten in die Stadt. Relativ schnell entstanden Fabriken, Wohnhäuser, neue Straßen und Viertel. Die Industrie prägte den Charakter der Stadt und machte Brünn zu einer modernen Metropole“, fasst Mitkurator Tomáš Zapletal die ausgestellte Geschichte zusammen.
Neben historischen Fotos und Modellen sind Porträtmalereien bedeutender Industrieller zu sehen.
Im Mittelpunkt der Fabrikgeschichte stehen dabei die beiden Anlagen Vlněna und Mosilana. Erstgenannte befindet sich unmittelbar im Zentrum Brünns. Auf ihrem Gelände betrieben die jüdischen Industriellen Alfred Stiassny und Walter V. Neumark an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ihre Produktionsstätten für Wollwaren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Fabriken verstaatlicht und später zum Nationalbetrieb Vlněna zusammengeschlossen. Das endgültige Aus für die Produktion kam um das Jahr 1997, die Gebäude wurden nach und nach verkauft. Der heutige Mehrheitseigentümer des ehemaligen Fabrikkomplexes ist eine Bauträgergesellschaft, die die bestehenden Objekte abreißen und neue Büro- und Wohngebäude errichten möchte.
Die Textilindustrie hat in Brünn nicht nur graue Fabrikgebäude hinterlassen, sondern auch architektonische Schätze hervorgebracht. So gab Ernst Löw-Beer beim Wiener Architekten Rudolf Baumfeld den modernen Bau des heute als Löw-Beer-Villa bekannten Wohnhauses in Auftrag. Mies van der Rohe errichtete für Löw-Beers Cousine Greta Tugendhat und deren Mann Fritz das wohl berühmteste Gebäude Brünns, die Villa Tugendhat.
Ebenso im Fokus steht die Stoffproduktion an sich, die von alltäglicher Bekleidung bis hin zur Herstellung von Militäruniformen reichte. So lieferte das Werk des österreichischen Textilunternehmers Johann Heinrich Offermann seine Waren an die Armeen in Serbien, Rumänien, Griechenland und in der Türkei. In der Zeit zwischen beiden Weltkriegen war Brünn Sitz von etwa 40 Spinnereien und konnte sich damit erfolgreich gegenüber britischen Textilunternehmen behaupten. Anhand zahlreicher Stoffmuster kann der Besucher die Vielgestaltigkeit der Produktion nachvollziehen.
Ein anderes Kapitel der Schau dreht sich um das Museum der Angewandten Kunst. Als Teil der Mährischen Galerie in Brünn wurde seine Gründung 1873 von führenden Brünner Industriellen mitinitiiert.
In Zusammenhang mit der Ausstellung entstand auch Kateřina Tučkovás neuer Roman „Fabrika“. In ihrem Buch verbindet die Prosa-Autorin und studierte Kunsthistorikerin Fiktion mit Fakten: Im Mittelpunkt stehen fünf Generationen der Unternehmerfamilie Johann Heinrich Offermanns, der sich 1776 in Brünn niederließ. Ergänzt mit Fotomaterial und Dokumenten aus den Archiven gibt der Roman gleichsam einen Einblick in eine längst vergangene Zeit und stellt damit eine literarische Ergänzung zur Ausstellung dar.
Brünn – Mährisches Manchester. 250 Jahre Metropole der Textilindustrie. Mährische Galerie Brünn, geöffnet: Mi.–So. 10–18 Uhr, Do. 10–19 Uhr, montags und dienstags geschlossen, Eintritt: 80 CZK (ermäßigt 40 CZK), bis 12. April, www.moravska-galerie.cz
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