Verschleierte Gefahr
Muslimische Schülerin entfacht hitzige Debatte um Kopftuchverbot
10. 9. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: JFrosty, Silsor, Anthere
Dürfen Schülerinnen im Unterricht ein Kopftuch tragen? Diese Frage sorgt in Tschechien derzeit für reichlich Gesprächsstoff. Den Stein des Anstoßes lieferte eine Mittelschule in Prag, die einem aus Somalia stammenden Mädchen das Tragen eines sogenannten Hidschabs untersagte. Schließlich stünde in der Schulordnung, dass „sämtliche Kopfbedeckungen“ verboten seien.
Das Mädchen ließ sich davon nicht beeindrucken, verließ die Schule und wandte sich an die tschechische Ombudsfrau. Für Anna Šabatová, die sich seit einem halben Jahr für die Rechte der Bürger einsetzt, ist die Sache klar: „Ein solches Verbot stellt zweifelsohne einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar und verstößt auch gegen das Schul- und Antidiskriminierungsgesetz.“
Die gleiche Auffassung vertritt auch Bildungsminister Marcel Chládek (ČSSD). In einem demokratischen Land müsse man Respekt vor Glauben und Religion haben. „Und darüber sollten sich auch die Schulleiter im Klaren sein“, erklärte der Minister.
Fragwürdiger Humor
Doch längst vertreten nicht alle Spitzenpolitiker diesen Standpunkt. Der stellvertretende Parlamentsvorsitzende Zdeněk Škromach (ČSSD) etwa sprach von „inkompetenten Aussagen der Ombudsfrau, die Spannungen in der Gesellschaft nur verstärken“ würden. Selbst Šabatovás Stellvertreter Stanislav Křeček äußert Kritik: „Wie die Schüler auszusehen haben, darüber entscheidet allein die Schule.“ Könnte er darüber bestimmen, würde auch niemand mehr ein Basecap im Klassenzimmer tragen dürfen. Mit Religionsfreiheit habe der aktuelle Fall seiner Ansicht nach nicht das Geringste zu tun, es handle sich hierbei um eine „deutliche Bezeugung irgendeiner Sache“, die durchaus gefährlich sei.
In diesen Chor stimmte auch Staatspräsident Miloš Zeman ein, der den Tenor des Volkes wiederzugeben glaubt. „Ich habe schon mehrmals gesagt: Das Ganze fängt mit einem Kopftuch an und hört mit einer Burka auf. Gerade für hübsche Frauen ist das ein großer Nachteil“, sagte Zeman, der sich den Satz nicht verkneifen konnte, dass dies „bei einigen Frauen wiederum gar nicht so schlecht ist.“
Bildungsminister Chládek versteht in dieser Sache keinen Spaß. Am Sonntag sagte er in einer Talkshow des tschechischen Fernsehsenders Prima, ein Sicherheitsrisiko – das der stellvertretende Ombudsmann bereits im Tragen eines Kopftuchs erkennt – würde er nur dann ausmachen, wenn Schulkinder das gesamte Gesicht verdeckten.
Der Landesschulrat hat auf die Kritik von Ombudsfrau Šabatová mittlerweile Taten folgen lassen und die Schulordnung geändert – wenn auch nur geringfügig: Kopfbedeckungen sind nach wie vor nicht gestattet, doch können Schulleiter „aus religiösen Gründen“ über Ausnahmen entscheiden.
Vergleich mit Kanibalen
Während sich Šabatová über diesen Schritt freuen kann, dürfte ihr die neueste Nachricht aus dem nordböhmischen Kurort Teplice Sorge bereiten. Demnächst wollen die dortigen Stadtvertreter über einen Entwurf der Abgeordneten Iva Dvořáková (ODS) abstimmen, der ein generelles Kopftuchverbot vorsieht. Angeblich sorgt sich die Bürgerdemokratin um die Ordnung in der Kurstadt: Immer mehr Gäste kämen aus den arabischen Ländern, sie würden die Nachtruhe stören und in den Parkanlagen jede Menge Müll hinterlassen. Die Kameraüberwachung an öffentlichen Plätzen könnte jedoch keine Hinweise auf die Schuldigen liefern, da diese wegen ihrer Kopfbedeckung auf den Aufnahmen nur schwer zu erkennen seien.
Mit ihren Ansichten scheint die Lokalpolitikerin innerhalb ihrer Partei kein Einzelfall zu sein. Der Parlamentsabgeordnete Marek Benda, bis vor kurzem noch ODS-Fraktionschef, verurteilte die gegen eine Diskriminerung von Minderheiten beruhenden Aussagen der Ombudsfrau aufs Schärfste: „Was würde passieren, wenn nun Menschenfresser zu uns kommen und sagen, wir sind es gewohnt, Menschen zu essen. Würden wir ihnen das auch bei uns erlauben?“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“