Vom Manager zum Eismann

Vom Manager zum Eismann

In Holešovice hat Pietro Amato seinen Jugendtraum verwirklicht und eine einzigartige Eisdiele eröffnet

26. 3. 2015 - Text: Stefan WelzelText und Foto: Stefan Welzel

 

Die großen, dunkelbraunen Augen leuchten, wenn Pietro Amato von der Kunst des Eisherstellens spricht. Die Ausführungen des 41-Jährigen schweifen schnell ab in die Geschichte des Handwerks und dessen Tradition in Amatos italienischer Heimat. Der schlanke Sizilianer sitzt entspannt in seinem modern und schlicht eingerichteten Eiscafé, das er vor einem Monat in der Heřman-Straße in Holešovice eröffnet hat. Viel Kundschaft ist um die Mittagszeit nicht zu erwarten, so legt Amato eine kleine Pause ein und erzählt davon, wie aus einem Politikwissenschaftler und Manager aus Palermo ein Prager Eismacher wurde.

„Es war schon immer mein Traum, ein eigenes Geschäft zu haben“, erklärt Amato. Mit seinem Universitätsabschluss verfolgte er zu Beginn des Jahrtausends zunächst eine klassische Business-Karriere. Da gute Jobs in Sizilien eher dünn gesät waren, entschied sich Amato, ins boomende Irland auszuwandern. Dort blieb er vier Jahre lang, ehe eine gut bezahlte Stelle in der nordenglischen Pharmaindustrie auf ihn wartete. „Das war alles ganz spannend. Ich lernte dort auch meine tschechische Frau kennen. Das Leben war gut, aber dennoch fehlte etwas“, erinnert sich Amato an seine Zeit auf den Britischen Inseln.

Vor allem das oft regnerische und trübe Wetter machte dem Süditaliener auf Dauer zu schaffen. Doch das allein war es nicht. „Etwas mit deinen eigenen Händen zu erschaffen, das ist einfach das Größte.“ Und wieder blitzen Funken der Begeisterung in Amatos Augen auf. Jahrelang sei er als Manager einer geregelten und gesicherten Büroarbeit nachgegangen. Aber dies sei für ihn bei Weitem nicht so befriedigend, wie ein kreatives Handwerk auszuüben. Und genau das ist das Eismachen für Amato. Er redet von seiner Tätigkeit, als würde es sich um eine schwer zu beherrschende Zauberei aus einer fernen, mystischen Welt handeln. Dabei erlernte er sie vor knapp einem Jahr in der ziemlich irdischen „Scuola Italiana di Gelateria“ im umbrischen Perugia.

Dort bringt unter anderem der Italoschweizer Luca Caviezel Wissbegierigen das komplizierte Handwerk der Eisherstellung bei. Der über 90-Jährige ist so etwas wie der Guru der italienischen „Gelateristi“, seine Publikation „Scienza e tecnologia del gelato artigianale“ („Wissenschaft und Technologie des Eismacher-Handwerks“) die Bibel der Zunft. „Alles steht und fällt mit der richtigen Mischung aus Wasser, Zucker, Luft und Aromastoffen. Die perfekte Balance für ein Eis oder Sorbet zu finden, ist das Schwierigste“, erklärt Amato und fasst sich dabei immer wieder an das Logo der Schule, das auf seiner Arbeitsweste über dem Herzen prangt.

Jeden zweiten Tag steht Amato früh morgens um fünf auf, damit das Dutzend Sorten pünktlich um zehn Uhr für die Kunden bereitsteht. Rund 16 Rezepte hat er bisher in Eigenregie entwickelt. Basis ist die cremige weiße Masse, die er täglich produziert und über Nacht stehen lässt. Die Zutaten kauft er in Italien, Frankreich und bei tschechischen Produzenten ein. „Die Milch kommt aus dem Riesengebirge, viele Früchte wie Erd- und Waldbeeren aus Louny“, verweist Amato auf seine Bemühungen, so viel wie möglich aus regionaler Produktion zu beziehen. Chemische Stoffe zur künstlichen Erhaltung der Frische sind absolut tabu. Italienisches Eis sei immer frisch und nur ein bis zwei Tage haltbar, so Amato.

„Raus aus der Komfort-Zone“
Während der rund einjährigen Vorbereitungszeit für sein Eiscafé sagten dem Quereinsteiger viele Freunde, dass er zunächst einige Monate mit einer Flaute rechnen müsse. „Und wer eröffnet schon ein solches Lokal im Winter?“, schüttelt der Eismacher den Kopf über sich selbst, als die ersten Kunden des Tages seine „Gelateria Amato“ betreten. Entgegen den Erwartungen läuft die Diele bereits recht gut. An einem der vergangenen sonnigen Samstage musste Amato noch einmal in seine Werkstatt, um Eis nachzuproduzieren. Das Besondere an seiner Gelateria ist der Umstand, dass lediglich eine riesige Fensterscheibe den Gastraum von der Eis-Küche trennt. „Ich möchte, dass die Gäste sehen, wie das Eis direkt vor Ort gemacht wird“, erläutert Amato das eigenwillige und in Prag wohl einzigartige Konzept. Das Echo der Kundschaft sei bisher überwiegend positiv. In der Tat gibt es kaum einen Kunden, der das Lokal nicht mit einem Lächeln und oft sogar mit einem Kompliment wieder verlässt.

Amato lebt seit 2008 in Prag. Es war die Liebe, die ihn schlussendlich hierher brachte. „Eine wunderschöne Stadt. Die ersten paar Jahre arbeitete ich, wie meine Frau auch, im Finanzsektor. Dann aber kam der Moment, in dem ich mir sicher war, mir meinen Jugendtraum erfüllen zu müssen“, erinnert sich Amato. Das hieß für den damals 40-Jährigen zunächst: „Raus aus der Komfort-Zone, rein in die unsichere Eigenständigkeit.“ Doch Amato ist stolz und froh, diesen Schritt gemacht zu haben, für den man durchaus „einigen Mut braucht“. Im Frühling und Sommer plant er, auch vor dem Lokal einige Tische aufzustellen. Dann wird das Eiscafé in dieser kleinen Straße zwischen Letná- und Stromovka-Park erst recht italienisches Lebensgefühl verbreiten. Und vielleicht wird Amato dann auch der interessierten Laufkundschaft etwas über die Geschichte und die Kunst des Eismachens in Italien erzählen, in der Hand eine Kugel mit seinem Lieblingsaroma. „Pistazieneis natürlich“, das sei für Amato so etwas wie die Königin unter den Eissorten.

Gelateria Amato. Heřmanova 61, Prag 7 (Holešovice), geöffnet: täglich außer montags 10 bis 20 Uhr, www.gelateriaamato.cz