Von Kaisern, Alchimisten und Enten
Zu Besuch im legendenumwobenen Barockschloss Deutsch Krawarn in Mährisch-Schlesien
29. 8. 2013 - Text: Yvette Polášek, Foto: Podzemnik
Beinahe 300 Jahre ist es her, da saß unter dem mächtigen Walnussbaum im Schlosspark von Kravaře (Deutsch Krawarn) die junge österreichische Kaiserin Maria Theresia und vergoss bittere Tränen um ihr geliebtes Schlesien. Man schrieb das Jahr 1742 und die Monarchin hatte die Region im Österreichischen Erbfolgekrieg an Friedrich II. von Brandenburg-Preußen verloren.
Eine schöne, bewegende Legende, die Besuchern auch heute noch gerne tradiert wird, wenn sie im Schlosspark unter eben jenem Walnussbaum stehen und das strahlende Schloss betrachten. Woher sie stammt, weiß heute niemand mehr so genau. Doch laut historischen Aufzeichnungen hat Maria Theresia niemals einen Fuß nach Deutsch Krawarn gesetzt. Was dennoch kein Grund sein sollte, um der malerischen Ecke im Hultschiner Ländchen keinen Besuch abzustatten.
Allein der Name der Stadt (kráva heißt auf Tschechisch Kuh) verrät, wie sich die Bevölkerung über Generationen hinweg ihre Brötchen verdiente – mit Viehhandel und Züchtungen verschiedener Pflanzenarten. Im Namen hat sich aber auch das hier ansässige, alte mährische Adelsgeschlecht der Herren von Kravař verewigt, unter deren Mitgliedern sich vom Leibarzt des polnischen Königs Vladislav Jagiello bis hin zum Vertreter König Wenzels IV. in Mähren bedeutende Persönlichkeiten finden lassen. Zu größtem Ruhm verhalf Deutsch Krawarn aber sein beeindruckendes Barockschloss mit dem angrenzenden englischen Park.
Altes Rittergut
Die erste schriftliche Erwähnung von Kravaře stammt zwar aus dem Jahr 1224, von einer Festung mit Adelssitz ist aber erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Rede. Eine detaillierte Beschreibung des Ritteranwesens liegt überhaupt erst aus dem Jahr 1632 vor und ist seinem damaligen Besitzer Michal Sendivoj aus Skorsko zu verdanken. So wissen wir heute, dass das Gut zu dieser Zeit neben herrschaftlichem Anwesen bereits Ställe, zwei Mühlen, eine Brauerei, eine Branntweinbrennerei, Hopfenfelder und einen Teich sowie Obst-und Blumengärten umfasste. Der polnische Chemiker und Alchemist Sendivoj selbst arbeitete am Hofe von Kaiser Rudolf II. in Prag, wurde aber wegen seiner Habgier und Streitlust auf seinem Anwesen in Kravaře, welches er selbst nach der Schlacht am Weißen Berg als Geschenk erhalten hatte, nur als „polnischer Teufel“ betitelt.
Das Barockschloss, wie es heute zu sehen ist, ist der Familie von Eichendorff zu verdanken. Sie waren die nachfolgenden Besitzer, die durch die Hochzeit zwischen der Alchemisten-Tochter Marie Veronika mit Jakob von Eichendorff in dessen Besitz gelangt war. Der bedeutendste und wohl bekannteste Vertreter dieser Familie ist Joseph von Eichendorff, in dessen Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ sich mancher Schüler in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Pflichtlektüre hat vertiefen müssen. Das Schloss hätte unter den Eichendorffs wohl noch zahlreiche prächtige Veränderungen erlebt, hätte die Adelsfamilie nicht über ihre Verhältnisse gelebt. So musste es der hoch verschuldete Adolf Theodor im Jahr 1782 verkaufen.
Seit 1920, als das Hultschiner Ländchen zur damaligen Tschechoslowakei kam, kaufte der Staat das Schloss. Lange konnte er sich aber nicht daran erfreuen, da bereits 17 Jahre später ein großer Brand das gesamte Schloss mit Ausnahme der Kapelle vernichtete. Wiederaufbaupläne wurden aufgrund des Zweiten Weltkriegs um rund 20 Jahre verschoben. Erst in der kommunistischen Ära erlebte das Schloss eine Art Wiedergeburt. Es wurde in neuem Glanz Heimat der politischen Ausstellung „Ostrauer Operation“, die bis 1989 zugänglich war.
Verschontes Deckenfresko
Der bedeutendste Teil von Schloss Kravaře ist seine achteckige Kapelle mit ihrer riesigen Kuppel, die wie durch ein Wunder vom großen Feuer 1937 verschont blieb und bis heute in ihrer ursprünglichen Form für Gottesdienste (auch in deutscher Sprache) dient. Besonders beeindruckend sind die reichen Verzierungen des Deckenfreskos, welches Marias Himmelfahrt und allegorische Szenen der vier Kontinente darstellt. Der Schöpfer dieses Werks, František Řehoř Ignác Eckstein, wird heute als einer der bedeutendsten barocken Wandmaler in Mähren und Schlesien angesehen. Weitere Kulturschätze sind der Altar sowie das Ölgemälde „Der Fall der Engel“ des Barockkünstlers Jan Jiří Lehner.
Schloss Kravaře wäre aber kein richtiges Märchenschloss, würden sich nicht zahlreiche Mythen und Legenden um das Gemäuer ranken. Neben der Erzählung rund um die weinende Maria Theresia und einen Geheimgang, der vom Schloss bis zur Kapelle der Heiligen Maria Magdalena in der zwei Kilometer entfernten Ortschaft Štítina führen soll, ist die wohl bekannteste Legende jene von den neun goldenen Enten. Diese schuf angeblich der Alchemist Sendivoj. Kurz darauf ließ er sie im Mauerwerk des Schlosses einmauern. Die launische Gräfin Fontaine soll so lange nach dem Schatz gesucht haben, bis sie ihn schließlich fand. Vier goldene Enten tauschte sie gegen Golddukaten um, die ihr ein sorgenfreies Leben ermöglichten. Die übrigen fünf blieben eingemauert und bis heute ist niemandem bekannt, wo in den Kellergewölben sie zu finden sind.
Umso leichter findet man sich im zwanzig Hektar großen englischen Park zurecht, der das Schloss umgibt. Entworfen wurde er vor rund 300 Jahren an der Stelle eines Auwalds, wobei die Bäume damals strahlenförmig von der Kapelle weg angelegt wurden. Heute stoßen Besucher bei einem Spaziergang durch die Anlage auf über 100 Laub- und Nadelbaumarten sowie in der Umgebung auf einen 18-Loch-Golfplatz und ein breites Radwegenetz, das auch für Inlineskates tauglich ist.
Informationszentrum Kravaře, Náměstí 43, Kravaře u Hlučína, Tel. 553 77 955, E-Mail: infocentrum@kravare.cz, www.kravare.cz
Schloss Kravaře, Alejní 377/24, Kravaře u Hlučína, Tel. 553 671 201, Öffnungszeiten: Mai bis September, Di.–So. 10–17 Uhr; 30-minütige Führungen finden jeweils zur vollen Stunde außer um 12 Uhr statt.
Ausstellung: Neben der klassischen Schlossführung kann auch eine Ausstellung über das Alltagsleben im 19. Jahrhundert besichtigt werden. Unter anderem wurde das komplette Interieur eines Landhauses in die Schlossräumlichkeiten umgesiedelt.
Silesia Golf Resort Kravaře, Mlýnská 23, Kravaře, Tel. 553 673 202 oder 724 106 804, E-Mail: recepce@golfkravare.cz, www.golf-kravare.cz
„Wie 1938“
30 Jahre PZ