Von Matrosen und Torpedos
Das Nationale Technikmuseum gewährt Einblick in die Geschichte der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine
23. 7. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: NTM
1914 war sie der sechstgrößte Flottenverband der Welt, dennoch blieb sie in der Weltkriegshistoriografie nur eine Randnotiz: die k.u.k. Kriegsmarine. Im Rahmen des landesweiten Ausstellungsprojekts „Velká válka“ („Der große Krieg“) widmet sich eine Sonderschau im Nationalen Technikmuseum der österreichisch-ungarischen Streitkraft auf den Weltmeeren. „Naše moře“ („Unser Meer“) behandelt anhand von Fotografien, Radierungen, Gemälden, Modellen und interaktiven Elementen ein eher unbekanntes Kapitel der Weltkriegsgeschichte.
Sanftes Wellenrauschen begrüßt den Besucher der Ausstellung im Untergeschoss des Museums, an den Rändern vor den Schauwänden säumen grobe Kieselsteine den Weg. Auf einem Porträt aus Öl blickt uns Admiral Wilhelm von Tegetthoff strengen Blickes an, als ob er den Betrachter gleich zum Exerzieren an Deck auffordern würde. Tegetthoff war in den 1860er Jahren der erste große Seeheld der Österreicher und gleichzeitig Reformator einer unbedeutenden Seestreitmacht. Mit ihm und der Tatsache, dass man seit 1797 über Venedig, Dalmatien und Istrien verfügte, verstärkte sich der Wunsch, die österreichisch-ungarische Flotte auszubauen.
In Vitrinen reihen sich die Modelle von Fregatten, Linienschiffen, Torpedobooten oder auch der Yacht des Thronfolgers Franz Ferdinands aneinander. Eine kurze Abhandlung der Entstehungsgeschichte erläutert den Werdegang der k.u.k. Marine vom Stiefkind aller Waffengattungen zur stattlichen Flotte, die später im Ersten Weltkrieg die Adriaküste erfolgreich verteidigen und ihren übermächtigen Gegnern einige Sorgen bereiten sollte.
Das Hauptaugenmerk der Schau gilt der Zeit nach der Jahrhundertwende, als Industrialisierung und Wettrüsten dazu führten, dass das romantisierte Bild des Dienstes auf Segelschiffen der Schinderei in Stahlriesen wich – obwohl das Matrosenleben auch davor, besonders auf Kriegsschiffen, voller Entbehrungen war. Trotzdem widmet sich auch ein kleiner Teil von „Naše moře“ dem Alltagsleben der Besatzung in Friedenszeiten, in denen man die Welt sehen und fremde Kulturen kennenlernen konnte. Genau dies machte die Marine zu einem Ort der Sehnsucht für junge Männer aus eher armen Verhältnissen. Exponate wie Offiziersgeschirr, Uniformen oder ein typischer Matrosen-Seesack vermitteln den Geist der Seefahrt.
Verhältnismäßig wenig erfährt der Besucher von den Geschehnissen während des Ersten Weltkrieges. Kurz wird der Verlauf der erfolgreichen Schlacht bei Otranto gegen eine Übermacht aus englischen, französischen und italienischen Verbänden 1917 erläutert. Spannend: die Ereignisse im Frühjahr 1918 vor Cattaro, als ein revolutionärer Matrosenaufstand ausbrach. Ein Ausstellungsabschnitt erläutert die Entstehung und Bedeutung der Marine-Luftstreitkräfte. So sorgten zwei tschechische Piloten als erste dafür, dass aus einem Wasserflugzeug heraus ein feindliches U-Boot versenkt wurde. Václav Woseček und Bořivoj Radoň wurden zu Kriegshelden und später zu Staffel-Führern.
Die Bedeutung der Kriegsmarine für Böhmen und Mähren spiegelt sich vor allem in einem der wichtigsten Industriebetriebe des Habsburgerreiches wider. So wurden in den Škoda-Werken unter anderem die damals neuartigen Artillerie-Drillingstürme für die großen Schlachtschiffe wie der S.M.S. „Viribus Unitis“ oder der S.M.S. „Prinz Eugen“ fabriziert. Diese riesigen Zerstörer brachten es auf eine Wasserverdrängung von mehr als 20.000 Tonnen.
Die Ausstellung verfügt über Kriegsexponate wie einen Propeller-Torpedo oder Kleinkaliber-Geschütze. Ein interaktiver Teil, eher für die jüngeren Besucher gedacht, führt über eine Videoleinwand an Deck von alten Kriegsschiffen.
Die Schau im Nationalmuseum fällt zwar überschaubar, aber dennoch informativ und spannend aus, vor allem dank ihrer eindrücklichen Exponate.
Unser Meer. Národní technické muzeum (Kostelní 42, Prag 7, Holešovice), geöffnet: Di.–Fr. 9 bis 17.30 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen, Eintritt: 190 CZK (ermäßigt 90 CZK), bis 30. November, www.ntm.cz
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