Von Vampir-Autos und PS-Monstern
Das neue Škoda-Museum in Mladá Boleslav macht Automobilbau hautnah erlebbar
5. 12. 2012 - Text: PZText: PZ; Foto: Škoda
Dienstag vergangener Woche war es soweit: Das von Grund auf neu konzipierte und gestaltete Museum der Automarke Škoda öffnete seine Tore. Beheimatet ist es auf dem Firmensitz inmitten der Autostadt Mladá Boleslav. Das Museumsgebäude gehört zu einem über hundert Jahre alten Fabrikkomplex, der in den Jahren 1898 bis 1912 errichtet wurde – ein dreigeschossiger Industriebau, in sachlicher, klarer Architektur gehalten und somit Vorgänger des tschechischen Funktionalismus. Welche Autos hier genau vom Band liefen, ist unklar. In jedem Fall wurden Motoren gefertigt. Später diente das Gebäude lange als Verwaltungskomplex, bevor 1995 erstmals das Firmenmuseum einzog.
Die neue Schau kann in drei Themenbereichen mit 46 historischen Fahrzeugen, mehreren hundert Einzelexponaten sowie zeitgeschichtlichen Filmen, Fotos und Dokumenten aufwarten. Das Museumskonzept überzeugt durch eine klare Struktur und die moderne, multimediale und interaktive Wissensvermittlung.
Die drei Sektionen Evolution, Tradition und Präzision bringen dem Besucher 117 Jahre Firmengeschichte näher. „Evolution“ bietet eine Zeitreise durch die bewegte Historie von Škoda. Zahlreiche Oldtimer bilden das nostalgische Herzstück des Museums. In chronologischer Reihenfolge aufgestellt, zeigen die Fahrzeuge die vielen Facetten des Erfindungsreichtums und des Designs in den vergangenen Jahrzehnten – durch Zeiten frühen Wohlstands, sozialistischer Nüchternheit und moderner ökologischer Technik.
Für die zeitliche Einordnung der Fahrzeuge sorgen Filme, die auf breiten Monitorbändern über den Autos ablaufen. Was sind die wichtigsten Autos der Marke? Wer waren die Gründungsväter? Welche technischen Errungenschaften zeichnen das Unternehmen aus? Solche und ähnliche Fragen werden hier beantwortet. Auch an Skurrilem mangelt es nicht. Der „Ferat“ etwa, ein Sportwagen mit der Originalbezeichnung „Škoda 110 Super Sport 1971“. Dieser etwas kantige Flitzer war der Star eines tschechoslowakischen Science-Fiction-Films aus dem Jahre 1982. Das Blutsauger-Auto aus dem Streifen „Upír z Feratu“ („Vampir aus dem Ferat“) trank menschliches Blut statt Diesel – eine morbide Spielart motorisierter Filmstars wie „Herby, der Käfer“. Ein sportliches Highlight bilden die Exponate, die die Rallye-Tradition der Marke repräsentieren. Von den Škodas der Reihe 130 RS aus den siebziger und achtziger Jahren bis zu den hochgerüsteten PS-Monstern der Jetztzeit sind mehrere Vertreter dieser Renngattung zu sehen. Gerade bei den älteren Versionen staunt man und fragt sich, wie diese fragil wirkenden Konstruktionen rasant über Schotterpisten rasen konnten, ohne in ihre Einzelteile zu zerfallen.
Im Ausstellungsbereich Tradition erfährt der Besucher anhand diverser „Auto-Paare“, gebildet aus zwei Fahrzeugen verschiedener Epochen, was die Marke ausmacht. Ob Staatskarosse, Fahrzeug für die Massen, Last- oder Rennwagen – die Spannweite produzierter Automobile deckt das ganze Spektrum gesellschaftlicher Verwendungsmöglichkeiten des Fortbewegungsmittels ab.
In der dritten Sektion dreht sich alles um die notwendige Präzision bei der Herstellung und Restaurierung von Fahrzeugen. Zum einen steht die Bedeutung von Mladá Boleslav als zentraler Fertigungsstandort und Ursprung der Unternehmenstradition im Fokus. Zum anderen machen Dokumentarfilme und Exponate die historische Produktionsstätte erlebbar. Ein eigenes Kino präsentiert Filme aus der heutigen Produktion. Die Restaurierung wird anhand von vier Oldtimern in den verschiedenen Stadien der Neuinstandsetzung veranschaulicht – der Scheunenfund verwandelt sich so zum Liebhaber-Schmuckstück.
Stolze Unternehmer
Das neue Museum bringt laut Vorstandsvorsitzendem Winfried Vahland den Stolz des Unternehmens zum Ausdruck. „Es ist Visitenkarte, Treffpunkt, Kommunikationsplattform und Anziehungspunkt in einem – ein multimediales Erlebniszentrum unserer Marke“, meint Vahland.
Neben den 1.800 Quadratmetern Ausstellungsfläche präsentiert das Haus weitere Neuerungen: Neben dem obligaten Museumsshop wurden großzügige Gastronomie- und Kinderspielbereiche geschaffen. Ein zusätzlicher Höhepunkt bildet das „Laurin & Klement Forum“ – ein 930 Quadratmeter großer, multifunktionaler Saal, der für Veranstaltungen und Sonderausstellungen genutzt werden kann und rund 600 Personen Platz bietet. Ziel ist es unter anderem, das Werkzentrum offener und für ein breites Publikum interessanter zu gestalten. Die Neugestaltung ließ sich das Unternehmen einen zweistelligen Millionenbetrag in Euro kosten.
Für Automobilbegeisterte bietet das Škoda-Museum eine hierzulande einmalige Schau. In ihrem neuen Gewand präsentiert sich die Instition auf einem Niveau, auf dem sie sich ohne Weiteres auch international messen kann.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?