Weizsäckers Vermächtnis und Inspiration
Der verstorbene Altbundespräsident legte mit Václav Havel den Grundstein für gute Beziehungen
5. 2. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: A.Savin
Nach dem Tod des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker haben auch tschechische Politiker ihr Beileid ausgesprochen. Premier Bohuslav Sobotka (ČSSD) bezeichnete den Christdemokraten als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Politik der vergangenen Jahrzehnte. „Sein Tod ist ein großer Verlust für Deutschland und ganz Europa“, so Sobotka in einem Kondolenzschreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Weizsäcker war am vergangenen Samstag im Alter von 94 Jahren in seiner Wahlheimat Berlin verstorben. Der gebürtige Stuttgarter, der von 1984 bis 1994 als sechstes Staatsoberhaupt der Bundesrepublik im Amt war, werde den tschechischen Bürgern nicht nur als Präsident der deutschen Wiedervereinigung im Gedächtnis bleiben, erklärte Sobotka, sondern auch als Gegenüber Václav Havels, mit dem er gemeinsam die Entwicklung einer freundschaftlichen nachbarschaftlichen Zusammenarbeit begründet habe.
Sobotka zufolge war Richard von Weizsäcker bereits eine große moralische Autorität, bevor er ins Amt des Bundespräsidenten gewählt wurde. „Sein Glaube an demokratische Werte und den Frieden zwischen den Völkern bleibt ein Vermächtnis und eine Inspiration, die gerade in diesen Tagen sehr aktuell ist“, erklärte der tschechische Regierungschef.
Auch Außenminister Lubomír Zaorálek (ČSSD) erinnerte an Weizsäckers Verdienste um das Verhältnis der beiden Nachbarländer: „Präsident Weizsäcker legte bei seinem Besuch in Prag und bei Václav Havel Anfang des Jahres 1990 den Grundstein der heute sehr guten deutsch-tschechischen Beziehungen. Er trägt einen außergewöhnlichen Verdienst daran, wie wir heute als Nachbarn zusammenleben“, lobte Zaorálek.
Der ODS-Politiker Alexandr Vondra, der von 1990 bis 1992 als Havels außenpolitischer Berater und weitere fünf Jahre als erster Staatssekretär im Auswärtigen Amt tätig war, bezeichnete Weizsäckers Tod als „großen Verlust auch für die Tschechische Republik“. Der Verstorbene sei ein „großer Gentleman“ gewesen, der sich um den Ausgleich der tschechisch-deutschen Beziehungen verdient gemacht habe, so Vondra.
Anfang der neunziger Jahre engagierte sich Weizsäcker für eine Annäherung der beiden Nachbarländer. Zu Lebzeiten sagte Weizsäcker, die Verbesserung der Beziehungen sei vor allem dem damaligen tschechoslowakischen Präsidenten Václav Havel zu verdanken gewesen. Die beiden Staatsmänner, die auch eine persönliche Freundschaft verband, zählten unter anderem zu den Initiatoren des Vertrags zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland über gute Nachbarschaft, der im Jahr 1992 unterschrieben wurde.
In Deutschland wie in Tschechien wurde in den vergangenen Tagen häufig an Richard von Weizsäckers berühmte Rede vom 8. Mai 1985 erinnert. 40 Jahre nach Kriegsende hatte er den Tag der Kapitulation einen „Tag der Befreiung Deutschlands vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ genannt. Für diese Aussage erntete Weizsäcker damals weltweit Anerkennung. Bevor er zum Bundespräsidenten gewählt wurde, war er drei Jahre lang Regierender Bürgermeister von Berlin gewesen.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“