Wenig Geld und Fehler im System
Zwar steigt die Zahl der Transplantationen, dennoch gibt es in Tschechien zu wenig Organspender
5. 2. 2014 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: USN
Der 31. Januar 1984 war ein historischer Tag für die tschechische Medizin. Vor 30 Jahren wurde im Prager Institut für klinische und experimentelle Medizin (IKEM) zum ersten Mal ein Herz transplantiert. Seinerzeit war dies die erste erfolgreiche Operation dieser Art in Osteuropa. Seitdem sind Herztransplantationen in Tschechien fast schon zur Routine geworden: Bis Ende 2013 wurde dieser Eingriff insgesamt 935 Mal vorgenommen.
Aber nicht nur das Herz, auch andere lebenswichtige Organe werden immer häufiger transplantiert. Das IKEM, das das größte und bedeutendste Transplantationszentrum des Landes beherbergt, vermeldete vergangenes Jahr eine Rekordanzahl solcher Eingriffe: 420 Patienten wurden 459 Organe transplantiert. Warum das trotz der Dauermisere und chronischen Unterfinanzierung des tschechischen Gesundheitssystems möglich war, erklärt IKEM-Chef Aleš Herman: „Diese Rekordanzahl konnte deshalb erreicht werden, weil es neuerdings sogenannte Transplantationspakete gibt. Dabei übernehmen die Versicherungen sämtliche tatsächliche Kosten einer Transplantation, also auch jene, die davor und danach anfallen“.
Wöchentlich werden am IKEM im Schnitt neun Transplantationen durchgeführt, meistens werden Leber oder Nieren ersetzt. „Die meisten Eingriffe betreffen die Nieren, im vergangenen Jahr wurden 282 dieser Organe transplantiert, 65 davon von lebenden Spendern, das ist auch ein Rekordwert“, erläutert der Leiter des Transplantationszentrums am IKEM, Pavel Trunečka. Organe von lebenden Spendern haben eine im Schnitt dreimal längere Lebensdauer als solche von toten.
Doch auch wenn diese Zahlen wie eine Erfolgsgeschichte aussehen mögen, ist das Gegenteil der Fall: Tschechien hat ein Spenderproblem. Der Grund ist vor allem systembedingt. In Tschechien ist laut Gesetz für alle eine mögliche Transplantation betreffenden Angelegenheiten ausschließlich der behandelnde Arzt zuständig. Mit der Folge, dass den chronisch überlasteten Medizinern schlicht die Kapazitäten fehlen, um beispielsweise mit der Familie des Verstorbenen über eine mögliche Organspende zu sprechen. Somit liegt Tschechien mit 19,8 verstorbenen Organspendern pro eine Million Einwohner nur im europäischen Mittelfeld, und das obwohl das Prinzip des „vorausgesetzten Einverständnisses“ gilt – wer nicht spenden will, muss dies ausdrücklich kundtun, indem er sich amtlich registrieren lässt.
Vorbild Spanien
Anders sieht die Situation beispielsweise in Spanien oder Kroatien aus, wo es europaweit die meisten Spender gibt. In den dortigen Krankenhäusern gibt es spezielle Mitarbeiter, die sich nur um die Spenderproblematik kümmern. „Diese suchen aktiv nach Spendern, das heißt sie haben jeden Empfang, jeden Patienten mit schwerem Hirnschaden im Blick. In die Behandlung greifen sie nicht ein, aber sobald der behandelnde Arzt den Verstorbenen als möglichen Organspender klassifiziert, übernimmt dieser Mitarbeiter die Kommunikation mit der Familie, den Transplantationsmedizinern und entlastet somit den Arzt“, erläutert Chefärztin Eva Pokorná, die das Transplantationszentrum des IKEM leitet.
In Tschechien fehle für solche Mitarbeiter das Geld. Die Versicherung übernehme zwar Kosten im Zusammenhang mit verstorbenen Organspendern, doch sei dies zu wenig, um das System nach spanischem oder kroatischem Vorbild zu professionalisieren. Dabei gibt es in Tschechien einen von der Regierung verabschiedeten „Nationalen Aktionsplan zur Unterstützung der Organspende“. Dieser sieht vor, sich an den Systemen jener Länder zu orientieren, die die höchsten Organspenderzahlen haben. Dies sei jedoch nicht geschehen, so Pokorná. Immerhin wurden die Indikationskriterien für Organspender flexibilisiert. Die früher strengen Altersgrenzen für Herzspender wurden deutlich aufgeweicht. „Wir bieten jeden möglichen Spender bis 60 Jahren an. Es ist dann an den Kardiologen zu entscheiden, ob er geeignet ist oder nicht“, so Pokorná.
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