Wer war eigentlich Karolina Světlá?

Wer war eigentlich Karolina Světlá?

Prager Orte und ihre Namen: Patriotin und Schriftstellerin in der Altstadt

23. 3. 2016 - Text: Friedrich GoedekingText: Friedrich Goedeking; Foto: APZ

Die Karolina-Světlá-Straße verbindet die Nationalstraße mit dem Smetana-Ufer. Ihre Namensgeberin wurde 1830 als Johanna Rottová geboren und gehörte zu den bedeutendsten tschechischen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Sie wuchs in einer Prager Kaufmannsfamilie und einer deutschsprachigen Gesellschaft auf. Schon als Schülerin begann sie, Geschichten zu schreiben. Als ihr Lehrer in der deutschen Schule ihre ersten literarischen Versuche entdeckte, ermahnte er ihre Eltern, die Tochter am Schreiben zu hindern, weil sie damit nur Schande über sich und die Familie brächte. Karolina musste die Schule verlassen. Zuhause verrichtete sie Hausarbeiten, lernte Französisch und spielte Klavier.

Ihr Klavierlehrer Petr Mužák, den sie 1852 heiratete, eröffnete ihr eine neue Welt. Mit ihm sprach sie Tschechisch und schloss sich der patriotischen Bewegung der Nationalen Wiedergeburt an. Sie besuchte die Heimat ihres Mannes, das Jeschkengebirge bei Liberec (Reichenberg) in Nordböhmen. Den Namen des Dorfes, aus dem ihr Mann stammte, machte Světlá zu ihrem Künstlernamen. Während sie in der bürgerlichen Prager Gesellschaft die Auflösung moralischer und religiöser Bindungen anprangerte, fand sie auf dem Land die tschechischen Lebensgewohnheiten und die tschechische Sprache am reinsten bewahrt.

Mehr als 30 Jahre lang verbrachte die Pragerin dort den Sommer, unternahm meist allein weite Wanderungen und ließ sich von Land und Leuten zu ihren bekanntesten Werken inspirieren. Dazu gehören „Vesnický román“ („Dorfroman“) aus dem Jahr 1867 und der ein Jahr später erschienene Roman „Kříž u potoka“ („Das Kreuz am Bach“). Mit der Erzählung „Hubička“ („Der Kuss“) lieferte Světlá die Vorlage für das Libretto zu Bedřich Smetanas Oper „Der Kuss“.

Karolina Světlá gehört zu den Vorreitern der tschechischen Frauenbewegung.

Zusammen mit der Schriftstellerin Božena Němcová gründete Karolina Světlá 1865 den „Amerikanischen Damenklub“, der sich für die Bildung und Weiterbildung von Frauen einsetzte. Die Gruppe unterstützte die tschechische Nationalbewegung und warb für eine Wiederbelebung der tschechischen Literatur. Sie bildete die Keimzelle der tschechischen Frauenbewegung – Deutsche hatten keinen Zutritt. 1870 gründete Světlá zusammen mit der Schriftstellerin Eliška Krásnohorská die Frauenzeitschrift „Ženské listy“ und war an der Gründung des ersten Prager Mädchengymnasiums „Minerva“ beteiligt.

Mit 30 Jahren lernte Karolina Světlá den Schriftsteller Jan Neruda kennen. Die Begegnung weckte in beiden eine leidenschaftliche Liebe. Als Neruda wegen hoher Schulden eine Gefängnisstrafe drohte, verkaufte Karolina ihren Schmuck. Sie fühlte sich aber ihrem Eheversprechen verpflichtet und wollte nur eine freundschaftliche Beziehung eingehen. Wie die Frauen­gestalten in ihren Romanen verzichtete sie auf ihr persönliches Glück und sah in der Bereitschaft zum Opfer die eigentliche Stärke der Frau. Neruda versuchte vergeblich, sie zur Flucht nach Paris zu überreden. Als ihr Mann Briefe Nerudas an Karolina entdeckte, beendete sie die Beziehung und verbrannte die Briefe.

Im Prager Zentrum erinnert heute außer der Karolina-Světlá-Straße mit ihrem Geburtshaus auch eine Statue am Karlsplatz an die Dichterin. In Český Dub nahe Liberec befindet sich das Karolina-Světlá-Museum.