Wertvolles Geschenk
Museum erhält Zeichnungen und Drucke von Alfons Mucha
28. 11. 2012 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: APZ
Prag ist um einen Kunstschatz reicher: Eine umfangreiche Sammlung von Zeichnungen, Skizzen und Drucken zu Alfons Muchas „Vaterunser“ („Le Pater“) sowie ein exklusiver Vorzugsdruck des Werks befinden sich seit Ende vergangener Woche im Besitz des Prager Kunstgewerbemuseums.
Muchas „Vaterunser“, das erste Mal 1899 in Paris erschienen, ist eine Interpretation dieses Gebets in Wort und Bild und gleichzeitig das bedeutendste druckgrafische Illustrationswerk des 1860 im mährischen Ivančice geborenen Künstlers. Das dem Museum von der aus Tschechien stammenden Kunstmäzenin und -sammlerin Věra Neumann übereignete Konvolut besteht aus insgesamt 70 Zeichnungen, Entwürfen und Skizzen sowie etwa 120 Probedrucken. Den Wert bezifferte Museumsdirektorin Helena Koenigsmarková auf mehrere Millionen Euro. Künstlerisch habe diese Sammlung einen ähnlichen Stellenwert wie Muchas berühmtes „Slawisches Epos“, so der Chefkurator des Kunstgewerbemuseums Radim Vondráček.
„Muchas Illustrationen des Vaterunsers sind nicht einfach irgendwelche Illustrationen. Vielmehr handelt es sich um sein Herzenswerk, um einen Ausdruck seines Innersten, mit dem er sich von seinen kommerziellen Auftragsarbeiten emanzipieren wollte“, erläutert Vondráček die Bedeutung des Werkes.
Von Mucha stammen nicht nur Illustrationen und Texte, auch die grafische Gestaltung des Buches geht auf den Jugendstil-Künstler zurück. Das Werk gilt mit seiner überbordenden Symbolik und den zahlreichen motivischen Anspielungen als meisterhafter Ausdruck der Geisteswelt Muchas, in der sich Katholizismus mit zeitgenössischen Geistesströmungen wie Theosophie, Okkultismus oder Freimaurer-Bewegung vermischen. Mucha selbst war Mitglied der Pariser Loge und gilt als ein Wiederbegründer der tschechischen Freimaurerei. „Mit der vorliegenden Sammlung haben wir jetzt auch die einzigartige Möglichkeit, alle Phasen des Schaffensprozesses von den ersten Skizzen bis zur endgültigen Druckvorlage zu verfolgen“, so Kurator Vondráček.
Auch die „Lebensgeschichte“ der Sammlung ist bemerkenswert. Den Vorzugsdruck mit der exklusiven Nummer 1 widmete Mucha dem befreundeten Fabrikanten Charles Freund-Deschamps, um dessen Tochter er buhlte. Von dort gelangte das Werk in die Kunstsammlung des französischen Staatspräsidenten Raymond Poincaré. 1972 wurden die zahlreichen Zeichnungen und Drucke in Paris an unterschiedliche Käufer versteigert. Dem aus Böhmen stammenden Kunstsammler-Ehepaar Věra und Lotar Neumann, die nach der Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1948 zunächst nach Venezuela und später in die Schweiz emigrierten, ist es in der Folge gelungen, die einzelnen Werkteile aufzukaufen und wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen. Hintergrund der aktuellen Schenkung an das Prager Kunstgewerbemuseum sei die Überzeugung Frau Neumanns, dass ein Werk von solcher Bedeutung in der Heimat des Künstlers aufbewahrt werden sollte. Außerdem, so Museumsdirektorin Koenigsmarková, sei jetzt gewährleistet, dass diese Sammlung als Ganzes erhalten bleibe. Sollte sie nämlich auf den Markt gelangen, ist davon auszugehen, dass die Händler die einzelnen Blätter separat verkaufen.
Kunstinteressierte müssen sich jedoch vorerst gedulden. Teile der Sammlung werden voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2013 im Prager Gemeindehaus zu sehen sein.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?