Wie eine Schachtel voller Geschichten
Die „Galerie der Kritiker“ zeigt abstrakte Werke junger Künstler aus Prag und New York
28. 8. 2014 - Text: Daniel NagelstutzText: Daniel Nagelstutz; Foto: Galerie Kritiků
Die Abkehr von der naturgetreuen Abbildung in der Kunst bietet seit mehr als 100 Jahren Raum für neuartige Interpretationen der Realität. Indem gewohnte Sichtweisen infrage gestellt wurden, gewann auch das Zusammenspiel von Provokation und Kreativität an Bedeutung. Die Rolle des Betrachters als ein aktiver Bestandteil bei der Rezeption dieser Werke erhielt eine neue Dimension.
In der Galerie Kritiků („Galerie der Kritiker“) im Palác Adria präsentieren jeweils vier junge Künstler aus New York und Tschechien abstrakte Gemälde und Skulpturen, die den Besucher zur kritischen Betrachtung der visuellen Wirklichkeit anregen sollen.
Der Titel der Schau in der Jungmann-Straße steht für ein interaktives Konzept: „Metaplay, Prague – New York“ verweist auf eine Idee des US-amerikanischen Computerkünstlers Myron Krueger, dessen interaktive Installationen in den siebziger Jahren vielerorts für Furore, oft aber auch für Stirnrunzeln sorgten. Auf verschiedene Art und Weise reagierten Kruegers virtuelle Realitäten auf den Betrachter und dessen Handlungen, wodurch sie sich entsprechend permanent selbst veränderten.
Für Kuratorin Vlasta Čiháková-Noshiro bedeutet „Metaplay“ mehr als nur Interaktion: „Das sollte schließlich jede Kunst tun.“ Konkret versteht sie darunter eine verschachtelte Geschichte – eine Erzählung, die selbst wiederum eine Erzählung beinhaltet. Die Lesbarkeit der Kunst ergibt damit sozusagen eine endlose Geschichte.
Der helle Ausstellungssaal unter der großen Glaskuppel im Palác Adria wurde erfreulicherweise nicht mit Werken überfrachtet. So erhalten die Exponate genügend Raum, um ihre Wirkung zu entfalten.
Nicht selten verbergen sich hinter den Exponaten reine Spielereien, wie zum Beispiel bei Nils Folke Anderson. In seinen Bildern verbinden sich Quadrate und Rechtecke zu bunten geometrischen Kompositionen, die von Neonröhren durchzogen werden. Die tschechische Künstlerin Jana Bernatová verdeutlicht die Grundsätze von Konstruktion und Dekonstruktion auf ähnliche Weise. Sie erschafft mit digitalen Ziffern und Buchstaben geometrische Figuren.
Eine tiefere Botschaft verbirgt sich hinter Mark Masygas Buntstiftzeichnungen, auf denen Ruinen zu erkennen sein sollen. Er zieht eine Parallele zur Ästhetik des Alterns. Seiner Meinung nach erweckt der Anblick von Trümmern und Schutt in uns dieselben Gefühle wie der einer alten Dame mit nur noch einem Zahn – eine etwas eigenwillige Metapher. Patricie Fexová wiederum interessiert sich in ihrer Serie unvollständiger Porträts für den Moment, in dem die Gesamtheit der Pinselstriche ein Gesicht erkennen lässt.
Die Ausstellung bringt das Konzept von„Metaplay“ auf den Punkt. Sie veranschaulicht, wie sich Myron Kruegers digitales und audiovisuelles Konzept auf zahlreiche andere Kunstformen – hier auf Malerei und Bildhauerei – ausgedehnt hat.
Auch wer mit abstrakter Kunst nicht vertraut ist, kann der Galerie Kritiků einen Besuch abstatten. Denn auch ohne tieferes Verständnis für die eigenwilligen Exponate entfalten diese eine starke ästhetische Wirkung.
Metaplay, Prague – New York. Galerie Kritiků, Palác Adria (Jungmannova 36, Prag 1), geöffnet: täglich außer
montags 11 bis 18 Uhr, Eintritt: 40 CZK (ermäßigt 20 CZK), bis 14. September, www.galeriekritiku.cz
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