„Wir haben eine gute Mischung“
Tschechiens Co-Trainer Tomáš Galásek über WM-Hoffnungen und EM-Enttäuschungen
4. 9. 2013 - Interview: Klaus Hanisch
Fülliger ist er geworden. Trotzdem hält Tomáš Galásek das Tempo bei einem Trainingsspiel des bayerischen Regionalligisten FC Schweinfurt 05 und bekommt wegen seiner unverändert hohen technischen und taktischen Fertigkeiten gar ein Sonderlob des Trainers. Dort arbeitet der mittlerweile 40-Jährige als Co-Trainer, sofern es seine Zeit erlaubt. Denn vor allem ist Galásek Co-Trainer der tschechischen Nationalelf, und die steht vor richtungweisenden Spielen in der WM-Qualifikation: Am Freitag empfängt Tschechien zuhause Armenien, am Montag tritt die Mannschaft in Italien an. Im Gespräch mit der „Prager Zeitung“ schätzt der langjährige Nationalspieler die WM-Chancen ein und erinnert sich zugleich an wichtige Länderspiele und Stationen seiner Karriere.
Viele tschechische Nationalspieler schlossen sich zum Abschluss ihrer Karriere im Ausland nochmals einem tschechischen Klub an, wie gerade Tomáš Ujfaluši bei Sparta Prag. Oder sie kamen als Privatleute zurück in die Heimat. Sie jedoch ließen Ihre Profi-Karriere in Mönchengladbach ausklingen und wohnen nun in Mittelfranken. Warum lief es bei Ihnen umgekehrt?
Tomáš Galásek: Wegen der Zehnjahresregel! Wenn ein tschechischer Spieler bei ausländischen Vereinen gespielt hat, dann ist er in der Regel spätestens nach zehn Jahren nach Tschechien zurückgekehrt. Ich habe jedoch allein schon zehn Jahre lang in Holland gespielt, und danach noch einige Jahre in Deutschland. Das bedeutet, dass ich und meine Familie hier bleiben mussten…
Als Co-Trainer der Nationalelf sind Sie allerdings regelmäßig in Tschechien. Die Mannschaft liegt mit neun Punkten hinter Bulgarien und Italien nur auf Platz drei in der Qualifikationsgruppe B. Viele Fans zweifeln bereits daran, dass Ihre Elf bei der WM in Brasilien dabei sein wird. Was macht Ihnen Hoffnung?
Galásek: Wir haben in den letzten Begegnungen schon gezeigt, dass wir jetzt eine sehr gute Mischung von erfahrenen und jüngeren Spielern haben. Ein Beispiel dafür ist Vladimír Darida, der noch sehr jung ist, aber schon einen Stammplatz hat und im Mittelfeld unserer Nationalelf ganz wichtig ist. Er ergänzt sich gut mit Plašil, Rosický und anderen älteren Spielern.
Fällt auch die Beobachtung der vielen tschechischen Spieler in der Bundesliga in Ihren Aufgabenbereich, nachdem Sie in Deutschland wohnen?
Galásek: Ja, der sportliche Leiter Vladimír Šmicer und Cheftrainer Michal Bílek nutzen natürlich aus, dass ich hier wohne und haben mich damit beauftragt, die Bundesligaspiele zu beobachten und jeden einzelnen tschechischen Spieler im Auge zu behalten.
Leistungsträger der Nationalelf wie Pekhart, Jiráček und Gebre Selassie sind zuletzt in der Bundesliga abgestürzt. Wurden sie überschätzt?
Galásek: Für Pekhart ist es schwer, weil er in Nürnberg nun starke Konkurrenz bekommen hat. Ich denke, es ist für ihn wichtig, dass er überhaupt wieder spielt und Tore für Nürnberg erzielt. Gebre Selassie hat viel Qualität und einen starken Charakter, deshalb gibt es für mich keinen Zweifel, dass er in Bremen auf Dauer Stammspieler bleibt. Ich wäre sogar nicht überrascht, wenn er eines Tages zu einem Top-Verein wechseln würde. Jiráček hat in Wolfsburg etwas die Lust auf Fußball verloren, er muss in Hamburg nun seinen Platz erobern. Auch er ist für uns ganz wichtig und ich vertraue ihm, dass er sich mit seiner Qualität wieder durchsetzt.
Václav Kadlec ist gerade von Sparta Prag nach Frankfurt gewechselt. Kann er sich durchsetzen?
Galásek: Für mich selbst ist es sehr interessant, seinen weiteren Weg zu verfolgen. Ebenso den von Darida, der nun von Freiburg verpflichtet wurde. Kadlec hatte kein schlechtes Debüt, bei seinem ersten Bundesligaspiel für Frankfurt in Braunschweig (eine Woche später erzielte er im Heimspiel gegen Borussia Dortmund sein erstes Bundesligator zum zwischenzeitlichen Ausgleich – Endstand 1:2; Anm. d. Red.). Ich hoffe, er schafft es, jedes Wochenende zu spielen. Das wäre natürlich auch im Sinne unserer Nationalelf.
In Tschechien wird behauptet, dass der große Hoffnungsträger Václav Pilař nach seiner glänzenden EM 2012 in Wolfsburg geradezu kaputt trainiert wurde. Können Sie sich das auch vorstellen?
Galásek: Das kann ich nicht beurteilen. Es ist bekannt, dass Magath härter als andere trainiert, aber er war damit auch erfolgreich. Es ist schwierig, darüber etwas zu sagen, wenn man nicht dabei war.
Denken Sie zuweilen noch an die EM 2004 und das verlorene Halbfinale gegen Griechenland zurück?
Galásek: Die letzte Ecke, mit der wir das entscheidende Gegentor bekommen, ich stehe am ersten Pfosten, der Ball fliegt ganz knapp neben meinem Kopf vorbei – und wir waren ausgeschieden…
Solch ein Spiel bleibt also tatsächlich ewig in Erinnerung?
Galásek: Wenn Sie danach fragen, dann kommen diese Erinnerungen wieder zurück. Lieber denke ich natürlich an erfolgreiche Spiele, etwa an die entscheidenden Qualifikationsspiele für Europa- oder Weltmeisterschaften. Das waren besonders schöne Momente in meiner Karriere.
Immer noch behaupten tschechische Fans, diese Mannschaft sei die beste der letzten Jahrzehnte gewesen. Sie gaben 1995 Ihr Debüt in der Nationalelf, kannten also sowohl die Elf, die 1996 das EM-Finale gegen Deutschland knapp verlor, wie auch jene von 2004. Klären Sie uns auf: Wer war denn nun definitiv besser?
Galásek: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, beide Generationen waren ähnlich stark. Jede hatte Spieler mit individueller Klasse. Wir warten schon länger auf eine solche Generation. Diese jetzt mit der schon erwähnten Mischung ist wieder eine gute Mannschaft, aber sie braucht noch ein bisschen Zeit.
Man wirft dem damaligen Trainer Karel Brückner noch heute zuweilen vor, dass er mit dieser EM-Mannschaft von 2004 mehr hätte erreichen müssen. Warum reichte es damals nicht zum Titel?
Galásek: Vielleicht fehlte uns einfach das Glück im letzten Spiel gegen Griechenland. Brückner hat uns aber sehr gut getan; alle sprachen davon, dass wir den schönsten Fußball in dieser Zeit spielten und deshalb vielleicht auch verdient Europameister geworden wären.
Bei der WM 2006 und der EM 2008 war gar schon in der Vorrunde Schluss. Mit dem Abstand von einigen Jahren: Lag dies nur daran, dass der große Star Pavel Nedvěd nicht mehr zur Verfügung stand?
Galásek: Ich erinnere mich, dass wir 2006 großes Verletzungspech hatten. Im ersten Spiel verletzte sich Koller, dann Baroš, damit fehlten wichtige Stürmer. Und 2008 haben wir die Partie gegen die Türken einfach nicht ausgespielt, nach der 2:0-Führung. Für mich besonders bitter, denn das war mein letztes Spiel in der Nationalelf. Daran erinnere ich mich ebenso ungern wie an das Griechenland-Spiel 2004.
Nürnberg stieg mit Ihnen als Mannschaftskapitän 2008 ab. Gladbach verhalfen Sie ein Jahr später mit starken Leistungen zum Klassenerhalt. Worin lag der Unterschied?
Galásek: An den 31 Punkten! Mit Gladbach reichten sie einfach aus, um die Klasse zu erhalten und mit Nürnberg nicht.
Zuvor war Ihnen mit Nürnberg 2007 sensationell der DFB-Pokalsieg geglückt. Nürnbergs Sport-Vorstand Martin Bader sagte uns kürzlich, unter den vielen Tschechen beim 1. FCN erinnere er sich am liebsten an Sie. Ihre Zuneigung dürfte weniger groß sein, nachdem der Club Ihnen nach dem Abstieg 2008 keinen neuen Vertrag mehr gab.
Galásek: Das ist bis heute eine ganz große Enttäuschung! Vor allem wenn man solch eine Nachricht per SMS bekommt. Nachdem ich dort schon zwei Jahre gespielt hatte, war ich überzeugt davon, dass man mit den Leuten ganz ehrlich sprechen kann. Ich denke, das lag am damaligen Trainer, also an Thomas von Heesen, der mich nicht mehr wollte. Außerdem wurde ich sehr lange hingehalten und konnte mir deshalb nicht mehr rechtzeitig einen neuen Verein suchen.
Sie wurden kürzlich so zitiert, dass Sie ein Angebot für einen Cheftrainer-Posten zu 100 Prozent annehmen würden. Reizt Sie ein deutscher Verein mehr als ein tschechischer?
Galásek: Ich meinte es so, dass ich zu 100 Prozent und Tag und Nacht für eine Mannschaft Zeit haben muss, wenn ich einen Cheftrainer-Posten übernehme. Denn als Trainer will ich wie als Fußballer etwas erreichen!
Sollte Tschechiens Trainer Michal Bílek in der WM-Qualifikation scheitern, steht er sehr wahrscheinlich vor dem Aus. Würde Sie diese Aufgabe reizen?
Galásek: (lacht) Ich gehe eher davon aus, dass ich dann ebenfalls entlassen werde. Doch es wäre für mich sowieso zu früh, solch eine Aufgabe zu übernehmen.
ZUR PERSON
Tomáš Galásek (40) galt während seiner Karriere als ein Stratege und Führungsspieler in der (defensiven) Mittelfeldzentrale, der natürliche Autorität besaß, ohne viele Worte verlieren zu müssen. Er spielte zunächst bei Baník Ostrava (1991 bis 1996), anschließend in den Niederlanden bei Willem II Tilburg (1996 bis 2000) und Ajax Amsterdam (2000 bis 2006). Mit Ajax gewann er zweimal den Meistertitel (2002 und 2004) und zweimal den Pokal (2002 und 2006). Danach wechselte Galásek zum 1. FC Nürnberg (2006 bis 2008) in die Bundesliga und holte 2007 überraschend den DFB-Pokal. Nach kurzer Rückkehr zu Baník im zweiten Halbjahr 2008 ging er nochmals nach Deutschland zu Borussia Mönchengladbach, wo er 2009 seine Profi-Karriere beendete.
Galásek gehörte jener bereits legendären Nationalelf an, die 2004 mit begeisterndem Fußball erst im EM-Halbfinale am späteren Sieger Griechenland scheiterte. Er absolvierte 69 Länderspiele und bestritt für Tschechien auch die WM 2006 und die EM 2008.
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