„Wir sollten die Chancen gemeinsam nutzen”
Exklusiv-Interview mit Olaf Scholz: Hamburgs Erster Bürgermeister zu 25 Jahren Partnerschaft mit Prag
17. 6. 2015 - Text: Klaus HanischInterview: Klaus Hanisch; Foto: Freie und Hansestadt Hamburg
Hamburg und Prag feiern. Ihre Städte sind seit 25 Jahren Partner. Gegenüber der „Prager Zeitung” bekennt sich Olaf Scholz nachdrücklich zu dieser Partnerschaft. Prag und Hamburg passen gut zueinander, erklärt der Erste Bürgermeister. Gravierende Probleme in den gemeinsamen Beziehungen sieht er nicht. Auch einer künftigen Nutzung des Moldauhafens in Hamburg schaut Scholz im Gespräch mit PZ-Autor Klaus Hanisch gelassen entgegen. Von der Olympia-Bewerbung der Stadt könne auch Prag profitieren. Die Chancen, die sich daraus für den gesamten Elberaum ergeben, solle man gemeinsam nutzen, fordert Olaf Scholz.
Herr Bürgermeister, waren Sie, wie 32.000 Hamburger, auch Ende März beim Abschiedsspiel von David Jarolím in der HSV-Arena?
Olaf Scholz: Leider nein. David Jarolím hat beim HSV Besonderes für den Hamburger Fußball geleistet und genießt hier einen legendären Ruf. Das haben die Fans beim Abschiedsspiel gezeigt.
Der tschechische Fußballer Jarolím spielte neun Jahre beim HSV und gilt bei den Fans als großes Idol. In einem Interview mit der „Prager Zeitung“ sagte er einmal, wenn er länger in Prag sei, vermisse er Hamburg. Ganz ehrlich: Denken Sie manchmal an Prag?
Scholz: Ja. Prag ist für Hamburg und auch für mich persönlich sehr präsent. Unsere Städte sind seit vielen Jahren durch die Politik der Elbe miteinander verbunden. Das war übrigens schon lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs so. Wir haben auch heute enge Beziehungen auf vielen Gebieten. Der Hamburger Hafen hat eine eigene Repräsentanz in Prag – die besteht seit 25 Jahren. Und die Partnerschaft der Universität Hamburg mit der Karls-Universität gibt es sogar schon seit 35 Jahren. Prag und Hamburg passen gut zueinander – unsere beiden Städte sind bei Touristen zu Recht sehr beliebt und viele Gäste besuchen uns. Ich freue mich auf meinen Besuch in Prag, den ich im Rahmen des 25. Jubiläums der Städtepartnerschaft für den Herbst plane.
Prag ist zwar die einzige Hauptstadt unter Ihren Partnerstädten, aber eben auch nur eine von neun Metropolen. Zudem beschäftigt Hamburg 35 ehrenamtliche „Ambassadors“ in aller Welt und unterhält vielfältige Beziehungen zu Ostasien, zum Ostseeraum, zu Indien, Südamerika und zur arabischen Welt. Bleibt da überhaupt noch Zeit für Prag?
Scholz: Natürlich. Es gibt eine große Selbstverständlichkeit in der Zusammenarbeit. Die Kooperation ist übrigens nicht auf unsere beiden Regierungen beschränkt. Sondern die Städtepartnerschaft lebt von den unzähligen Kontakten unserer Bürgerinnen und Bürger. Und die sind seit langem gut etabliert. Jetzt im Jubiläumsjahr 2015 wird deutlich, wie intensiv und vielfältig Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik miteinander verwoben sind. Das Jubiläumsprogramm spiegelt diese Vielfalt wider.
Prag hat seinerseits 15 Partnerstädte, darunter sind neben Hamburg auch noch die deutschen Städte Berlin, Frankfurt und Nürnberg. Nimmt sich Prag umgekehrt genügend Zeit für Sie?
Scholz: Ja. Das zeigen schon die regelmäßigen Besuche der Prager Stadtregierung in Hamburg.
Als im April 1990 die Partnerschaft besiegelt wurde, vereinbarten Hamburg und Prag, alle Aktivitäten zur Förderung der gemeinsamen Region der Elbe zu unterstützen. Welche Ziele wurden in dieser Hinsicht konkret erreicht?
Scholz: Wir sind stolz, dass unser Hamburger Hafen auch der Hafen der Tschechischen Republik und von Prag ist. Er ist das Tor nach Übersee für den sächsisch-tschechischen Wirtschaftsraum. Unsere Hafen-Repräsentanz in Prag hilft mit, im ständigen Austausch mit den tschechischen Partnern zu sein. Die Schiffbarkeit der Elbe ist ein wichtiges Anliegen beider Städte. Darum werden wir uns gemeinsam weiterhin kümmern.
Apropos Elbe: Besonders aktuell ist derzeit das Thema Moldauhafen. Tschechien fürchtet, dass dessen neuerliche Nutzung durch die Olympia-Bewerbung Hamburgs eingeschränkt wird. Können Sie das ausschließen?
Scholz: Ja. Hamburg wird bei den Planungen für die deutsche Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 die Interessen unserer tschechischen Partner im Hafen natürlich im Blick behalten. Übrigens: Die Spiele 2024 sind eine große Chance für den gesamten Elberaum. Die sollten wir gemeinsam nutzen.
Von tschechischer Seite wurde mangelnde Kommunikation mit Hamburg darüber beklagt. Hat es Sie überrascht, dass Tschechien gerade jetzt, parallel zur Olympia-Bewerbung, seinen seit gut 15 Jahren vergessenen Moldauhafen reaktivieren will?
Scholz: Eine Wiederbelebung des Areals ist auch im Hamburger Interesse. Schon deshalb wird es keine Probleme geben.
Der Pachtvertrag stammt noch aus der Zeit des Versailler Vertrages und gilt bis 2028. Außerdem sieht er eine Option für weitere 50 Jahre vor. Wäre es für Hamburg nicht sinnvoll, das 30.000 Quadratmeter große Gebiet jetzt schon zu erwerben, um genügend Raum für die geplante Errichtung olympischer Bauten im Hafengebiet zu haben?
Scholz: Im aktuellen Stadium der Planungen ist es noch zu früh, etwas darüber zu sagen. Derzeit bestehen hierzu keine Pläne.
Welche Chancen sehen Sie für Olympia in Hamburg, bei starken Konkurrenten wie Boston, Paris und Rom?
Scholz: Wenn wir nicht an unsere Chance glauben würden, bräuchten wir uns nicht zu bewerben. Wir haben ein gutes und überzeugendes Konzept, das in der nächsten Zeit weiter verfeinert wird. Spiele direkt am Wasser, kurze Wege und eine nachhaltige Nutzung aller Bauten werden auch international begeistern.
Kann Prag in irgendeiner Form bei der Bewerbung hilfreich sein?
Scholz: Ja. Die Unterstützung durch möglichst viele Staaten und Städte ist für den Erfolg der Bewerbung von großer Bedeutung. Aber auch Prag kann etwas davon haben. Denn die Zuschauer aus Übersee werden sich gerne auch noch andere Städte anschauen, nachdem sie ihre Athleten in Hamburg angefeuert haben. Prag ist da aus internationaler Perspektive einen Katzensprung von Hamburg entfernt.
Zu Beginn der Städtepartnerschaft erklärten Hamburg und Prag, in zahlreichen Fragen kooperieren zu wollen. Aufgelistet wurden etwa die Verwaltung moderner Großstädte, Städtebau, Architektur und Denkmalpflege, Umweltschutz, Gesundheits- und Sozialwesen. Blieb es bei hehren Absichtserklärungen?
Scholz: Nein, die Zusammenarbeit besteht überall dort, wo der Bedarf besteht. Gerade deshalb ist die Zusammenarbeit zwischen Prag und Hamburg so vielseitig.
Sie strebten auch vage eine Zusammenarbeit und einen Austausch in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Kultur in vielfältigen Formen an. Wie eng ist der Kontakt zur Verwaltung in Prag tatsächlich?
Scholz: Wir pflegen nicht Kontakt um seiner selbst willen, sondern weil es immer wieder Themen gibt, die für beide Partner relevant sind. Entsprechend wird – mit nach Bedarf auch wechselnden Schwerpunkten – die Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Feldern betrieben. Der Hamburg-Besuch der Prager Oberbürgermeisterin Adriana Krnáčová vom 24. bis 26. Juni spiegelt dies sehr deutlich wider. Auf ihrem Programm stehen unter anderem ein Wirtschaftsforum, der Besuch der Ausstellung „Statt-Ansichten – Hamburg und Prag anders geschaut“ im Hamburger Rathaus, die Besichtigung des Hamburger Hafens sowie des Moldau-Hafens. Und auch ich werde natürlich mit ihr zusammentreffen. Das Programm des 25. Städtepartnerschaftsjubiläums umfasst das gesamte Repertoire der Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Prag. Sie finden dort diverse Ausstellungen, Konzerte, Wirtschaftsforen, Schüleraustauschprojekte, Theaterprojekte, Vorträge, Filmprojekte, Veranstaltungen der Universitäten und noch mehr. Wir sind übrigens sehr stolz darauf, dass es gelungen ist, den bekannten Prager Künstler Jiří Votruba für die Gestaltung des Jubiläumsplakates zu gewinnen.
Hamburg ist nicht nur eine Stadt, sondern auch ein Bundesland. Sachsen und Bayern haben bereits Vertretungen in Prag eröffnet. Wäre jetzt, im Jubiläumsjahr und nach so langer Verbundenheit, nicht der ideale Zeitpunkt, ebenfalls eine eigene Hamburger Vertretung in Prag einzurichten?
Scholz: Wir sind mit der Repräsentanz von Hafen Hamburg Marketing ja schon seit 25 Jahren in Prag vertreten. Wir haben eine aktive HamburgAmbassadorin und es gibt ein gutes Netzwerk, das sich sehr bewährt hat.
Was selbstverständlich auch viele Prager interessiert: Steht der überaus erfolgreiche und gerade wiedergewählte Erste Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz seiner Partei SPD definitiv nicht als Kanzlerkandidat 2017 zur Verfügung, wie Sie schon ankündigten?
Scholz: In Hamburg weiß man, dass ich zu dem stehe, was ich gesagt habe. Ich möchte die nächsten fünf Jahre weiterhin als Bürgermeister arbeiten, damit die Hamburgerinnen und Hamburger mir bei der nächsten Wahl 2020 wieder ihr Vertrauen schenken.
Wann feiern Sie die gemeinsame Partnerschaft in Prag?
Scholz: Wir feiern das Städtepartnerschaftsjubiläum im gesamten Jahr 2015. Auftakt war das Konzert des Hamburger Felix Mendelssohn Jugendsinfonieorchesters am 6. März im berühmten Smetana-Saal. Beendet wird das Jahr voraussichtlich mit dem Gastspiel des Thalia Theaters „Don Giovanni. Letzte Party“ beim bekannten Prager Theaterfestival deutscher Sprache am 29. November. Ich freue mich, Prag im Herbst zu besuchen und hoffe, dass ich auch bei der Aufführung dabei sein kann.
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