Zeichnungen aus Theresienstadt

Zeichnungen aus Theresienstadt

Das Jüdische Museum Berlin würdigt den Künstler Bedřich Fritta

19. 6. 2013 - Text: Isabelle DanielText: Isabelle Daniel; Foto: Jüdisches Museum Berlin

 

Das ehemalige Konzentrationslager Theresienstadt ist ein Sinnbild der Perversion des NS-Regimes. Bis heute steht der aus der Ferne fast idyllische Anblick der Festung im krassen Gegensatz zu den Grausamkeiten, denen ihre unfreiwilligen Bewohner zur Zeit des NS-Protektorats ausgesetzt waren.

Der verheerenden Ironie des Theresienstädter Ghettos, von den Nazis als „Vorzeigelager“ missbraucht, widmet sich eine bemerkenswerte Ausstellung mit Zeichnungen des Künstlers Bedřich Fritta im Jüdischen Museum Berlin. Fritta, 1906 im sudetendeutschen Böhmisch Weigsdorf (Višňová) geboren, arbeitete bis zu seiner Deportation als Grafiker und Karikaturist in Prag, unter anderem für das deutschsprachige „Prager Tagblatt“. Kurz nachdem die Nazis im Jahr 1941 Fritta, seine Frau und den nicht einmal einjährigen Sohn Tomáš nach Theresienstadt verschleppt hatten, erkannten sie sein Talent und übertrugen ihm die Leitung des Zeichensaales in der Technischen Kanzlei des NS-Kommandos. Hier entstanden Frittas Auftragsarbeiten zum vermeintlichen Arbeitsalltag im Ghetto, von denen einige im Jüdischen Museum zu sehen sind.

Zum nationalsozialistischen Zynismus gehörte es, inhaftierte Juden an der Herstellung von Propagandamaterial zu beteiligen. Die rund 25 jüdischen Maler im Ghetto sollten mit ihren Zeichnungen zur „Verschönerung“ des Lagers beitragen sowie dazu, die Weltöffentlichkeit, allen voran das Internationale Rote Kreuz, über die wahren Zustände im Ghetto hinwegzutäuschen. Diese Art der Zwangsarbeit hatte für die Betroffenen einen besonders bitteren Beigeschmack, der sich auf zahlreichen der von Fritta illegal angefertigten Zeichnungen über den tatsächlichen Alltag im Lager bemerkbar macht. Den Sonderstatus, den prominente Inhaftierte wie er selbst genossen, zeichnet Fritta als bedrückenden Kontrast innerhalb des Lagers.

Bedrückung, Enge, Ausweglosigkeit: Diese Motive dominieren Frittas private Zeichnungen. In dem Wissen, sich in Lebensgefahr zu begeben, fertigte Fritta, wie einige andere der im Zeichensaal beschäftigten Maler, heimlich Zeichnungen an, die das Elend und die Unmenschlichkeit im Lager zum Thema machten. Es grenzt an ein Wunder, dass so große Teile von Frittas tragischem Erbe erhalten geblieben sind.

Als Fritta sowie die Künstler Ferdinand Bloch, Leo Haas und Otto Ungar am 16. Juli 1944 eine Vorladung der SS-Kommandantur erhielten, war allen vieren klar, dass ihre Untergrundtätigkeit aufgeflogen war. Noch am selben Tag versteckten sie ihre Werke: Fritta vergrub sie, die anderen mauerten sie ein. Adolf Eichmann persönlich führte das Verhör am darauffolgenden Tag. Sofort danach kamen die Künstler und ihre Familien in das Gestapogefängnis Kleine Festung. Drei Monate später wurden Fritta und Leo Haas nach Auschwitz deportiert, wo Fritta am 5. November 1944 starb. Der überlebende Haas adoptierte nach dem Krieg Frittas Sohn Tomáš, in dessen Besitz sich heute die Zeichnungen seines leiblichen Vaters befinden.

Das Ensemble von Frittas Auftrags- und privaten Arbeiten ist ein einmaliges Zeugnis für das Schicksal der in Theresienstadt gefangengehaltenen Juden. Den Kuratoren der Ausstellung ist es gelungen, Frittas Hinterlassenschaft auf würdevolle Weise zu präsentieren. Tod und Terror sprechen aus den Bildern selbst. Indem sie technische Analysen zu den Werken liefert, wird die Ausstellung aber auch Bedřich Fritta als großem Künstler gerecht.

Jüdisches Museum Berlin (Lindenstraße 9–14, Berlin): Bedřich Fritta. Zeichnungen aus dem Ghetto Theresienstadt, bis 25. August 2013

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