Zeman der Woche
Angenommen Joachim Gauck würde einen Großauftrag für die ThyssenKrupp AG an Land ziehen. Die Aufregung wäre groß in Deutschland, wahrscheinlich müsste er sogar zurücktreten. Ganz anders in Tschechien: Er habe dem Eisenwerk Třinecké železárny geholfen, ein lukratives Geschäft in Aserbaidschan abzuschließen, brüstet sich Miloš Zeman öffentlich. Das sei „der Vorteil von Präsidialsystemen“, sagt er wörtlich: „Sie einigen sich mit dem Präsidenten, er gibt eine Anweisung und die Anweisungen werden umgesetzt.“ Der gebildete Leser staunt. War Tschechien nicht eben noch eine parlamentarische Demokratie, in der dem Präsidenten ähnlich wie in der Bundesrepublik vor allem repräsentative Aufgaben zukommen? Ach, Zeman hat nur einen Witz gemacht, meinen die tschechischen Kollegen. Aber wo bitte ist die Pointe? Bei näherer Betrachtung erweist sich die Aussage tatsächlich als zweideutig. Entweder Zeman sieht sich als Wegbereiter für ein Präsidialsystem in Tschechien (in dem ihm endlich ganz automatisch die Aufmerksamkeit zukäme, die er sich sonst durch zweifelhafte öffentliche Auftritte mühsam verschaffen muss). In so einer Zemanokratie wäre die Wirtschaftsförderung Chefsache, sämtliche Eisenbahnstrecken der Welt würden aus tschechischem Stahl gebaut werden. Oder aber er meinte nicht Tschechien, sondern Aserbaidschan mit dem „Präsidialsystem“ – eine reichlich beschönigende Bezeichnung für ein Land, in dem Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit nur eingeschränkt existieren, in dem kritische Journalisten, Oppositionelle und Menschenrechtler im Gefängnis landen. Zeman sollte alt genug sein, um zu wissen, dass es nicht besonders lustig ist, in einem solchen System zu leben.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“