Zeman lenkt ein
Staatspräsident ernennt neue Regierung – Gerangel um Staatssekretärsposten
29. 1. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: čtk
95 Tage nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses wird Präsident Miloš Zeman am Mittwoch die sozialdemokratisch geführte Regierung von Premier Bohuslav Sobotka ernennen. Nie zuvor in der Geschichte des Landes war so viel Zeit zwischen Wahlsieg und Amtsantritt vergangen. Ähnlich lange musste mit 93 Tagen nur die erste Regierung von Mirek Topolánek (ODS) im Jahr 2006 warten, der es jedoch an parlamentarischem Rückhalt fehlte und die einen Monat später abdanken musste. Ein solches Szenario hat die Dreierkoalition aus ČSSD, ANO und KDU-ČSL nicht zu befürchten. Denn sie verfügt über eine beruhigende Mehrheit von 111 der 200 Abgeordneten.
Von einer stabilen Koalition sollten die tschechischen Bürger allerdings nicht ausgehen. Noch bevor Präsident Zeman mit sämtlichen Ministerkandidaten persönlich gesprochen hatte – ein Vorgehen, das dessen Geltungsdrang widerspiegelt – entbrannte ein Streit um das künftig von Andrej Babiš geleitete Finanzministerium. Konkret geht es dabei um den Posten des Staatssekretärs. Der ANO-Vorsitzende und designierte Vizepremier weigert sich, einen Staatssekretär aus den Reihen der Sozialdemokraten einzustellen. Er werde an seiner eigenen Kandidatin festhalten, sagte Babiš.
Staatssekretäre werden in Tschechien wie Minister bei der Regierungsbildung bestellt, nehmen an Ministerratssitzungen als Berater teil und sind an die Weisungen des jeweiligen Ressortleiters gebunden.
Privatisierte Ministerien?
Die Bündnispartner ČSSD und KDU-ČSL beharren auf der angeblich beschlossenen Einigung, wonach auch sie einen Staatssekretär stellen dürfen. „Es kann nicht angehen, dass Ministerien wie privatisierte Territorien behandelt werden“, sagte ein sichtlich erboster Regierungschef am Montag. Sobotka und Babiš wollen sich nun an einen Tisch setzen und gemeinsam mit ihren Kandidaten eine Einigung erzielen.
Am Dienstag sorgte die Nominierung eines anderen ANO-Kandidaten für Aufsehen. Mit Vladimír Franz soll der einstige Kontrahent von Miloš Zeman im Präsidentschaftswahlkampf als Staatssekretär in das Kulturministerium einziehen. Der Hochschulprofessor, Komponist und Maler fällt aus der Reihe: 90 Prozent seines Körpers sind von Tätowierungen bedeckt. Der Christdemokrat Daniel Herman, der als Kulturminister der direkte Vorgesetzte von Franz wäre, hätte damit kein Problem, sagte ANO-Chef Babiš. „Wir haben uns bereits mit dem künftigen Kulturminister getroffen. Herr Herman war von Herrn Franz regelrecht begeistert.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“