„Zeman schadet dem Ansehen des Landes“
Politikwissenschaftler Petr Just über Provokationen des Präsidenten und die Frage nach dem Rücktritt
26. 11. 2014 - Text: Corinna Anton
Taktik oder Kontrollverlust? Miloš Zemans Auftritte geben auch Experten Rätsel auf. Der Politikwissenschaftler Petr Just meint, Zeman sollte sein Verhalten ändern, weil er dem Land schadet. Just leitet das Institut für Politologie und Geisteswissenschaften an der privaten Prager Metropolitan University (Metropolitní univerzita Praha).
Welche Bedeutungen haben Zemans Aussagen, da er als Präsident doch hauptsächlich eine repräsentative Funktion hat?
Petr Just: Die Aussagen des Präsidenten haben zweifellos ihre Bedeutung. Die Rolle des Präsidenten ist es, den Staat nach innen und nach außen zu repräsentierten, deshalb werden seine Meinungen und Äußerungen immer ernst genommen, auch ohne Rücksicht darauf, wie stark seine anderen Kompetenzen sind. Außerdem müssen wir uns vor Augen führen, dass das Büro des Präsidenten in der Tschechischen Republik traditionell und historisch begründet eine sehr starke Position hat, ebenfalls ohne Rücksicht auf die eigentliche Eingrenzung seiner Befugnisse.
Zuletzt hat Zeman den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einer Feier anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz eingeladen, obwohl ihm doch klar sein muss, dass er damit derzeit auf wenig Gegenliebe stößt. Welches Ziel verfolgt der Präsident mit einer solchen Aktion?
Just: Ich weiß nicht, ob es in diesem konkreten Fall so ist, aber auf jeden Fall provoziert Miloš Zeman oft und gerne seine Gegner. Nicht nur mit dem, was er sagt, sondern auch dadurch, wie er auf ihre Äußerungen und ihre Kritik reagiert.
Wiederholt wies Zeman darauf hin, dass es sich in der Ukraine um einen Bürgerkrieg handele und eine wirtschaftliche Unterstützung des Landes nicht sinnvoll sei. Stellt er sich damit absichtlich gegen die Position der tschechischen Regierung und der gesamten EU?
Just: Das ist wohl der größte Widerspruch, den ich derzeit in Miloš Zemans Handeln sehe. Er trat immer als stark europa-freundlicher Politiker auf. Sich selbst bezeichnete er sogar einige Male als „Euroföderalist“, womit er die diametrale Gegenposition gegenüber seinem Vorgänger Václav Klaus einnahm. Mit seinem Einzug ins Präsidentenamt schien es deshalb, dass sich die Position der Tschechischen Republik gegenüber der Europäischen Union ändern würde. Mit seiner dann folgenden Haltung zur Ukraine und zu den Sanktionen gegen Russland negiert Zeman in einem gewissen Maß den Euroföderalismus, zu dem er sich früher bekannt hat.
Eine Kehrtwende? Oder eine Fortsetzung der Politik seines Vorgängers?
Just: Zemans Verbindung zu Russland und zu russischen Interessen in der Tschechischen Republik ist langfristig und es wurde viel darüber geschrieben. Das hängt auch mit den Tätigkeiten der Menschen in seinem Umfeld zusammen, zum Beispiel mit einem seiner Berater, der Schlüsselfigur seines Präsidentschaftswahlkampfs Martin Nejedlý.
Kritik an Zemans Verhalten wird nicht nur im eigenen Land laut, auch in der Ukraine, in Schweden und Amerika ärgern sich Politiker über Zeman. Schadet er dem Ansehen Tschechiens?
Just: Ich denke, das Bild der Tschechischen Republik im Ausland wird durch viele Aktivitäten Zemans geschädigt. Das ist nicht nur seine Position zur Ukraine-Krise, wo es so weit kam, dass unser Botschafter ins ukrainische Außenministerium vorgeladen wurde, um die Aussagen des Präsidenten zu erklären. Ziemlich große Aufmerksamkeit internationaler Medien riefen zum Beispiel auch seine vulgären Äußerungen im Rundfunk hervor.
Als Präsident, der dem Land schadet: Sollte Zeman zurücktreten?
Just: Er wurde rechtmäßig gewählt und das muss man respektieren. Aber er sollte erwägen, sein Auftreten und seine Ausdrucksweise zu ändern.
Die Fragen stellte Corinna Anton
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“