Zeugen des Mittelalters
Die Nationalgalerie zeigt gotische Heiligenbilder aus Südwestböhmen
9. 4. 2014 - Text: Nina MoneckeText: Nina Monecke; Foto: NG
Der Veitsdom auf der Prager Burg oder die Kathedrale der heiligen Barbara in Kutná Hora gehören zu den Höhepunkten böhmischer Baukunst. Sie sind die mit Abstand prominentesten Beispiele gotischer Sakralarchitektur in Tschechien. Die Region Südwestböhmen entwickelte sich im Spätmittelalter zu einer Hochburg gotischer Statuen und Heiligenbilder. Noch heute zählen die Erzeugnisse aus jener Region zu den wertvollsten, dem internationalen Publikum aber weniger bekannten, Kunstschätzen des Landes.
Nun widmet sich eine Schau der Nationalgalerie diesen herausragenden Werken, die größtenteils aus dem Fundus der Westböhmischen Galerie Pilsen stammen. Die Ausstellung gliedert sich in drei Abschnitte. Sie beginnt mit Ikonen aus der Stadt Klatovy (Klattau), die seit dem 15. Jahrhundert ein bedeutender Sitz der Hussiten war. Erst kürzlich stieß man hier auf ein bis dato unbekanntes Altarbild der städtischen Dekanalkirche. Aufwendige Holzschnitte, die die Jungfrau Maria mit Kind zeigen sowie Reliefs, die die Kindheit des Heilands abbilden, stammen aus den Gemeinden Horažďovice (Horaschdowitz) und Kašperské Hory (Bergreichenstein) und bilden den Höhepunkt der Ausstellung.
Eng verknüpft ist die gotische Kunst Böhmens mit dem wachsenden Einfluss aristokratischer Familien während der Dynastie der Jagellonen. Befeuert durch die Wirren des Hussitenkrieges Mitte des 15. Jahrhunderts erweiterte die katholische Adelsfamilie Švihovský z Rýzemberka (Schwihau von Riesenberg) ihr Herrschaftsgebiet beträchtlich, da es an einer starken Zentralgewalt mangelte. So sind zahlreiche Exponate aus der Hinterlassenschaft des Adelsgeschlechts zu sehen; unter anderem eine Grabinschrift des Puta II. von Riesenberg aus dem Jahr 1504.
Dieser wirkte als hoher Richter im böhmischen Königreich. Zu der Familiensammlung gehören auch die Überreste des originalen, dreiteiligen Flügelaltars der Burgkirche in Rabí von 1498. Während die gotischen Arbeiten den heutigen Betrachter aufgrund faszinierender Details zu fesseln vermögen, dienten sie ihren vermögenden Spendern als eine Art Ablass, um jenseitiges Seelenheil zu erlangen.
Besonderes Augenmerk legten die Kuratoren im abschließenden Teil der Schau auf die Werkstätten für Bildhauerei. Erstmalig sind unterschiedliche Darstellungen der Beweinung Christi vergleichend gegenübergestellt.
Die spätgotischen Ikonen aus dem Städtchen Žebrák (Bettlern) sowie dem Adelssitz Zvíkov wurden auf die Anfänge des 16. Jahrhunderts datiert. Eine sorgfältige Analyse gewährt den Besuchern Einblick in die Arbeitsweise und Techniken der Holzschnitzer, Maler und Handwerker sowie in unterschiedliche liturgische Schwerpunkte.
Den Kuratoren ist es dank gezielter Lichteinfälle gelungen, in den Räumlichkeiten des Palais Sternberg eine eindrucksvolle Atmosphäre zu erzeugen. Der Schau fehlt lediglich die Orgelmusik im Hintergrund, um den Anschein eines Gotteshauses perfekt zu machen.
„Gotische Kunst in Südwestböhmen“. Nationalgalerie Prag/Palais Sternberg (Hradčanské náměstí 15, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags 10–18 Uhr, Eintritt: 150 CZK (ermäßigt 80 CZK), bis 6. Juli, www.ngprague.cz
„Wir wollen das Verbindende zeigen“
„Befreite Frauen“