Zuckerbrot und Vorurteile
Finanzminister Babiš beleidigt vietnamesische Händler
18. 3. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Arne Witte
Mit einem elektronischen System will Finanzminister Andrej Babiš (ANO) gegen Umsatzsteuerbetrug vorgehen. In der vergangenen Woche plädierte er im Abgeordnetenhaus für die entsprechende Gesetzesänderung – und stellte dabei vietnamesische Betreiber von Lebensmittelgeschäften unter Generalverdacht. Die Tschechisch-Vietnamesische Gesellschaft ist verärgert.
Bei der Debatte über die Einführung der elektronischen Erfassung der Umsätze am Donnerstag hatte Babiš auf Nachfrage eines Abgeordneten erklärt, von der geplanten Änderung seien keine Privatunternehmer betroffen. „Es geht um Restaurants und um den Einzelhandel (…) Auch um Vietnamesen, die, wie bekannt ist, keine Steuern zahlen“, so der Minister wörtlich.
Die Tschechisch-Vietnamesische Gesellschaft reagierte umgehend. Ihr Vorsitzender Marcel Winter sagte, es handle sich um eine unzulässige Verallgemeinerung und forderte vom Minister eine Entschuldigung. Winter versicherte, die meisten Vietnamesen, die einen Laden betreiben, hätten schon lange moderne elektronische Registrierkassen. „Nicht jeder Vietnamese baut Marihuana an, nicht jeder stellt Drogen her und verkauft sie, und nicht jeder ist ein Steuerschwindler“, schrieb er in einer Pressemitteilung. „Die absolute Mehrheit der Vietnamesen, die hier leben, hat mit Drogen überhaupt nichts zu tun und auch die absolute Mehrheit der vietnamesischen Unternehmer zahlt ihre Steuern ordnungsgemäß.“
Babiš nahm seine Aussagen nicht zurück. Im Tschechischen Fernsehen sagte er am Montag, er sei in seiner Rede von den Erfahrungen der Finanz- und Zollbehörden ausgegangen. Auf dieser Grundlage und aufgrund von Schreiben anderer Unternehmer habe die vietnamesische Kommune einen solchen Ruf, erklärte der Finanzminister. Ein Treffen mit Vertretern der vietnamesischen Minderheit würde er begrüßen, fügte er hinzu.
Gut möglich, dass er bald auch Vertreter aus der Gastronomiebranche treffen muss. Denn Babiš hatte im Abgeordnetenhaus nicht nur die Vietnamesen der Steuerhinterziehung bezichtigt, sondern auch gegen Gaststättenbetreiber gewettert. „Von allen Restaurants in diesem Land haben wir Steuern in Höhe von 1,6 Milliarden Kronen bekommen“, so der Minister. Seiner Meinung nach könnten es „zehn oder elf“ Milliarden Kronen sein, zahlen würden jedoch nur „die Ehrlichen“.
Mit der elektronischen Erfassung soll sich das ändern. Vertreter von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen gehen derzeit davon aus, dass die Änderung wie geplant im Januar kommenden Jahres eingeführt werden kann. Widerstand haben dagegen unter anderem die Abgeordneten der oppositionellen ODS angekündigt. Die Bürgerdemokraten nennen das System eine „Rückkehr zum Sozialismus“ und wollen die Verabschiedung des Gesetzes im Abgeordnetenhaus verhindern, notfalls wollen sie die Verhandlungen blockieren, erklärten Vertreter der Partei in der vergangenen Woche. „Das heißt, wir sind wirklich darauf vorbereitet, dass es im Abgeordnetenhaus zu keinem einzigen Gesetzt kommt“, so der Vorsitzende Petr Fiala.
Die Regierung will sich davon nicht abschrecken lassen. Premierminister Bohuslava Sobotka (ČSSD) zufolge will sie an der Einführung festhalten. „Das ist eine Schlüsselmaßnahme gegen Steuerflucht und gegen Betrug an allen Bürgern, die ehrlich Steuern zahlen“, so Sobotka. Die Regierung sei jedoch bereit, mit der Opposition zu verhandeln.
Während die Christdemokraten eine Studie fordern, welche die Auswirkungen des neuen Systems auf verschiedene Arten von Unternehmen analysieren soll, will der Finanzminister den Gastwirten mit einem Angebot entgegenkommen: Er verbindet die elektronische Umsatzerfassung mit dem Vorschlag, die Mehrwertsteuer für Restaurants von 21 auf 15 Prozent zu senken.
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