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Studie: Die tschechische Wirtschaft könnte von Flüchtlingen profitieren
18. 5. 2016 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: APZ
Die einen sind auf der Suche nach einer besseren Zukunft, die anderen brauchen dringend Arbeiter. Der Schluss liegt nahe, dass Flüchtlinge für die an Fachkräftemangel leidende tschechische Wirtschaft überhaupt kein Problem wären, sondern eher die Lösung. Es wundert daher auch nicht, dass gerade aus Unternehmerkreisen immer wieder gefordert wird, mehr Asylbewerber aufzunehmen – während viele Bürger und Politiker eher skeptisch sind.
In der vergangenen Woche wurde nun eine Zahl präsentiert, die manchen Migrationsskeptikern wohl gar nicht passen wird: Die tschechische Wirtschaft könne den Zuzug von 50.000 bis 80.000 Einwanderern ohne Probleme verkraften, heißt es in einer Analyse des heimischen Unternehmens Cyrrus, das sich auf den Handel mit Wertpapieren spezialisiert hat. Die Firma habe „keinerlei Ambitionen, darüber zu entscheiden, ob wir Flüchtlinge aufnehmen sollten oder nicht“, schreiben die Herausgeber der Studie. „Wir wollten lediglich zeigen, dass es gut ist, in der öffentlichen Debatte neben der Sicherheit auch den wirtschaftlichen Aspekt zu berücksichtigen.“
Und in dieser Hinsicht könnte Tschechien laut den Experten von Cyrrus von Asylbewerbern profitieren; das Land solle eine „gelenkte Migration“ unterstützen, um schrittweise die freien Stellen zu besetzen. Außerdem könne der Staat bis zu 90 Milliarden Kronen (3,3 Milliarden Euro) jährlich sparen, die er wegen der Überalterung der Bevölkerung ausgeben muss – denn Flüchtlinge würden das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen senken.
Cyrrus-Analytiker František Kronus rechnet damit, dass Migranten Hilfe bei der Suche einer Wohnung bräuchten. Unterstützen könne der Staat die kontrollierte Zuwanderung außerdem durch Ausnahmen beim Mindestlohn und Zuschüsse für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Hinderlich dagegen sei, dass Flüchtlingen derzeit die Möglichkeit verwehrt wird, bereits zu arbeiten, solange das Asylverfahren noch läuft.
Aus der Studie geht hervor, dass das Bruttoinlandsprodukt kurzfristig um etwa 20 Milliarden Kronen steigen könnte und Migranten der heimischen Bevölkerung keine Arbeitsplätze wegnehmen würden. Die Aufnahme von Flüchtlingen würde sich auch langfristig positiv auf die Wirtschaft auswirken – vorausgesetzt, die Menschen kämen nicht alle auf einmal innerhalb kurzer Zeit, sondern es handle sich um kontrollierte Zuwanderung.
Die derzeit von der EU verfolgte Strategie, Migranten per Quoten auf die Mitgliedstaaten zu verteilen, fällt bei den Verfassern der Studie dagegen durch. „Es geht um eine sehr kleine Zahl, über die eine unsinnig große Debatte geführt wird“, sagt Kronus. Seiner Meinung nach müssten die Kontingente entweder deutlich gesteigert werden, damit sie der Wirklichkeit gerecht würden oder aber die Union sollte nach einem ganz anderen Modell suchen. Für Tschechien ist der Studie zufolge die gesteuerte Migration ideal. Flüchtlinge würden dann schrittweise aufgenommen, mit Rücksicht darauf, ob die Gesetzgebung sowie der Wohnungs- und Arbeitsmarkt ausreichend darauf vorbereitet sind. Nach Tschechien könnten so vor allem Familien mit Kindern kommen oder Menschen mit Berufen, die hierzulande gerade besonders gebraucht werden.
Zunächst aber müsse man die tschechische Öffentlichkeit überzeugen, dass die Beschäftigung von Flüchtlingen Vorteile bringe, so Kronus. Gerade das dürfte schwierig werden. Aus einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CVVM geht hervor, dass 61 Prozent der Tschechen finden, ihr Land sollte überhaupt keine Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnehmen. Nur drei Prozent der Befragten meinen, Tschechien sollte Migranten ermöglichen, sich dauerhaft im Land niederzulassen.
Pilotprojekt für Ukrainer
Wenn Firmen nach ausländischen Fachkräften suchen, stoßen sie oft auf bürokratische Hürden. Einfacher haben sie es seit Ende vergangenen Jahres, wenn die potenziellen Mitarbeiter aus der Ukraine kommen. Ein Pilotprojekt erlaubt es tschechischen Unternehmen, jährlich insgesamt 500 Ukrainer unter einfacheren Bedingungen zum Arbeiten ins Land zu holen. Sie erhalten schneller eine Arbeitserlaubnis und eine sogenannte Blue Card. Diese bekommen Ausländer, wenn sie eine Stelle antreten, für die hierzulande kein geeigneter Kandidat gefunden wurde. Bisher konnten sich nur Firmen an dem Programm beteiligen, die mindestens fünf Mitarbeiter haben. Künftig sollen auch Betriebe mit drei oder vier Beschäftigten eine Chance bekommen. Am größten ist das Interesse seitens der Arbeitgeber an IT-und Telekommunikationsspezialisten, Ingenieuren und Zahnärzten. (ca/čtk)
Bekenntnis zu Břeclav
Drastische Maßnahmen