Zwei Gläser zu viel
Rund 640.000 Menschen in Tschechien trinken übermäßig viel Alkohol. Die Zahl der Crystal-Meth-Abhängigen geht zurück
8. 12. 2016 - Text: Katharina Wiegmann
Ob im Büro, in der Uni oder beim Fitnesstraining: Wenn nach getaner Arbeit jemand in die Runde fragt, ob man nicht noch „auf eins“ gehen wolle, wissen in Tschechien alle, was gemeint ist. Das Bier am Abend in der Kneipe gehört für viele zum Alltag. Nicht immer bleibt es bei einem Glas. Rund 640.000 Männer und Frauen über 15 Jahre trinken übermäßig viel Alkohol und sind damit suchtgefährdet. Das ist eines der Ergebnisse des jährlichen Berichts über den Drogenkonsum der Tschechen, der Ende November vom „Nationalen Monitoring-Zentrum für Drogen und Abhängigkeit“ vorgestellt wurde.
Demnach trinken Männer dieser Risikogruppe mindestens drei Bier, vier bis sechs Deziliter Wein oder drei Schnäpse täglich. Bei Frauen reichen schon zwei Bier oder zwei Gläser Wein täglich, um in diese Kategorie eingeteilt zu werden. Eine weitere halbe Millionen Tschechen hat dieses Niveau zwar noch nicht erreicht, droht aber in die Abhängigkeit abzurutschen. 19 Prozent der Männer und sechs Prozent der Frauen trinken laut dem Report täglich oder regelmäßig Alkohol.
Noch mehr Tschechen greifen zur Zigarette: ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung raucht. „In absoluten Zahlen gibt es in der Tschechischen Republik rund zwei Millionen Raucher und ungefähr eine Million gefährdete Alkoholkonsumenten“, fasst der Report zusammen. Die Regierung hofft für die Zukunft auf die Wirkung abschreckender Bilder auf Zigarettenschachteln, ein Rauchverbot in Restaurants und Sanktionen gegen Gaststättenbetreiber, die Alkohol an Minderjährige ausschenken. Ein umfassender Aktionsplan für den Kampf gegen Nikotin-, Spiel- und Alkoholsucht wurde erst im vergangenen Jahr verabschiedet.
Die legale Droge Alkohol ist auch für die meisten Drogentoten verantwortlich. 2015 starben 133 Menschen an den direkten Folgen ihres Konsums. 682 Unfall- und Selbstmordopfer hatten vor ihrem Tod ebenfalls getrunken. An einer Überdosierung illegaler Betäubungsmittel starben 104 Menschen.
Mehr Geld für Abhängige
Der Bericht des Monitoring-Zentrums hat auch Positives zu vermelden: So rauchten und tranken 2015 weniger Schüler unter 16 als in den Jahren zuvor. Zudem ist die Zahl der von illegalen Drogen wie Crystal Meth Abhängigen seit 2003 erstmals rückläufig. 34.200 „problematische Nutzer“ wurden im letzten Jahr registriert, im Vergleich zu 36.400 im Vorjahr. Bekommt die Regierung das Problem Crystal Meth also allmählich in den Griff? „Eine Rolle spielt sicher die verbesserte wirtschaftliche Lage und die damit verbundene soziale Sicherheit“, analysierte der Nationale Anti-Drogen-koordinator Jindřich Vobořil die Ergebnisse des Berichts bei einer Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus. Abgesehen davon habe die Regierung die Mittel erhöht, die für konkrete und individuelle Hilfe der Abhängigen zur Verfügung stehen, so Vobořil weiter.
Insgesamt stellte der Staat 2015 1,17 Milliarden Kronen (rund 43,2 Millionen Euro) für den Kampf gegen Drogen zur Verfügung. Im Vergleich zum Vorjahr nur eine geringe Mehrausgabe, allerdings ein massiver Zuwachs seit 2013. Vor drei Jahren standen lediglich 263,5 Millionen Kronen (rund 10 Millionen Euro) bereit. Vobořil wies allerdings darauf hin, dass für Präventionsprogramme insgesamt nach wie vor zu wenig ausgegeben werde.
Der stellvertretende Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Jan Bartošek (KDU-ČSL) forderte, ein Prozent der Einnahmen aus ausgewählten Verbrauchssteuern zur Drogenprävention bereitzustellen. Abhängigkeiten früh zu erkennen und zu bekämpfen könne verhindern, dass Familien auseinanderbrechen und begrenze den Schaden, der durch Beschaffungskriminalität entstünde, erklärte Bartošek. „Wir stehen dazu, dass der Staat mehr als bisher investieren soll. Wenn wir unsere Arbeit richtig machen, wird langfristig Geld gespart.“
In Tschechien sind derzeit rund 10.000 Menschen wegen Drogenmissbrauch in Behandlung; erfasst werden sie in einem im März vergangenen Jahres eingerichteten Register. Nach wie vor bilden Crystal-Meth-Abhängige dabei die größte Gruppe. Immer mehr Menschen nutzen aber auch Opioide wie Heroin oder das starke Schmerzmittel Buprenorphin.
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