Zweifelhafte Hilfe
Vier Wochen machte Scientology Werbung am Karlsplatz – unter Schirmherrschaft der Bürgermeisterin von Prag 2
13. 10. 2015 - Text: Corinna AntonText und Foto: Corinna Anton
Gelb leuchtet das Zelt am Karlsplatz in den grauen Oktober. Sonnengelb, Amnesty-International-Gelb, ADAC-Gelb. Es wird hier wohl um eine gute Sache gehen, soll die Farbe den Passanten offensichtlich einreden. „Gelbes Zelt der Hilfe“, steht neben dem Eingang und an der Seite in Großbuchstaben: „Egal, welches Problem Sie bedrückt, man kann etwas dagegen tun.“ Die Hilfe, die hier angeboten wird, ist allerdings eine sehr zweifelhafte. Sie kommt von der umstrittenen Religionsgemeinschaft Scientology, die von Experten in einigen Ländern als Sekte eingestuft wird. Sie manipuliere ihre Mitglieder und unterziehe sie einer Gehirnwäsche, lauten die Vorwürfe. Die Bürgermeisterin von Prag 2 hat dennoch die Schirmherrschaft über die „Ausstellung“ übernommen.
Aus Sicht der Passanten am Karlsplatz sieht alles ganz harmlos aus. „Lernen Sie, wie Sie sich selbst, Ihrer Familie und Ihren Freunden helfen“, heißt es auf einem Handzettel. Von Konfliktbewältigung ist die Rede und von Lösungen für Probleme mit Drogen, der Arbeit oder in der Partnerschaft. Als Kontaktadresse wird das Prager „Dianetik-Zentrum“ angegeben – nicht jeder weiß, dass sich dahinter Scientology verbirgt.
Die täglichen Vorlesungen werden umsonst angeboten und von außen kann man durch die Fenster sehen, wie im Zelt Menschen auf Liegen massiert werden – ein verlockender Anblick, der immer wieder Menschen ins Zelt eintreten lässt. Im Inneren verstärkt sich der Eindruck, man sei bei einer gemeinnützigen Organisation gelandet. Bilder von Hilfsaktionen in allen erdenklichen Krisengebieten der Welt sind zu sehen, dazwischen versprechen Schautafeln Abhilfe gegen Stress.
Dass es sich um eine gute Sache handle, glaubte offenbar auch die Bürgermeisterin von Prag 2 und Parlamentsabgeordnete Jana Černochová (ODS). Scientology wirbt auf den Flugblättern mit dem Namen der Bürgermeisterin und Schirmherrin. Sie habe nicht gewusst, dass Scientology der Veranstalter ist, sagte Černochová der Online-Ausgabe der Tageszeitung „Lidové noviny“. Aus dem Antrag sei das nicht klar hervorgegangen, sie habe gemeint, es handle sich „um Freiwillige, die bei Naturkatastrophen wie zuletzt in Nepal helfen“.
Dabei ist Scientology alles andere als gemeinnützig. „Aus einer Vielzahl von Informationsquellen“ gehe hervor, dass die Organisation „wesentliche Grund- und Menschenrechte wie die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung außer Kraft setzen will“, warnt in Deutschland der Verfassungsschutz. In Tschechien schrieb das Schulministerium bereits vor zehn Jahren: „Scientology ist eine gefährliche Sekte.“
Nach fast einem Monat wurde das gelbe Zelt am Karlsplatz am Wochenende wieder abgebaut. Die „Ausstellung“ ist inzwischen weitergezogen. Laut „Lidové noviny“ wird sie auch in anderen europäischen Städten zu sehen sein. Aus Prag verschwunden ist Scientology damit aber nicht. Im „Dianetik-Zentrum“ in der Nähe des Hauptbahnhofes bietet die Sekte fast täglich Kurse und Vorlesungen an, verkauft Bücher und führt Persönlichkeitstests durch, die letztendlich in erster Linie dem Wohl der Organisation dienen.
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