Organisierte Banden im Grenzgebiet
Kriminalität

Organisierte Banden im Grenzgebiet

Die Serie reißt nicht ab. Immer mehr Fahrzeuge mit Keyless-Go-Technik werden nahe der deutsch-tschechischen Grenze gestohlen. Der Schaden geht in die Millionen

13. 1. 2019 - Text: Klaus Hanisch, Titelbild: Hannes Egler, Unsplash

Zuletzt hatten es Diebe auf einen ganz „dicken Fisch“ abgesehen: Das Auto mit „Keyless-Go“-Technik, das sie gerade in Kemnath-Waldeck in der Oberpfalz klauten, besaß einen Wert von sage und schreibe 130.000 Euro. Es reiht sich nahtlos ein in eine Vielzahl solcher Diebstähle. Schon 2017 wurden 33 Fahrzeuge mit dieser kostspieligen Technologie im deutsch-tschechischen Grenzgebiet entwendet. Und im vorigen Jahr ist diese Zahl weiter gestiegen, wie das Polizeipräsidium für die Oberpfalz auf Anfrage der „Prager Zeitung“ vorab mitteilte. Wie hoch genau, wird bei der üblichen Jahresbilanz im März näher erläutert.

Klar ist aber schon jetzt: Noch immer tappt die Polizei bei dieser speziellen Art von Diebstählen weitgehend im Dunkeln. Denn die Mehrzahl der gestohlenen Autos bleibt auf Dauer verschwunden. Auch über die Täter gibt es kaum nähere Hinweise. Dabei ist der Schaden beträchtlich. Und er steigt immer weiter. Sicher ist im Augenblick nur, dass die Fahrzeuge nach Osteuropa geschafft werden – und neuerdings auch nach Asien. Dabei spielt die Tschechische Republik vor allem als Transitland für gestohlene Autos eine Rolle, nicht jedoch als „Abnehmer“.

Die Kriminalpolizei geht mittlerweile davon aus, dass „diese Diebstähle organisiert“ ablaufen. Mehr noch: „Es ist durchaus möglich, dass nicht nur eine Bande dahintersteckt, sondern mehrere verschiedene Gruppen“, erläuterte Albert Brück vom Polizeipräsidium in Regensburg gegenüber der PZ. Nach Erkenntnissen der Kriminalbeamten besitzen die Diebe einen gewissen Organisationsgrad. Und sie müssen über technisches Know-how verfügen, um die Fahrzeuge in ihren Besitz bringen zu können. Es ermöglicht ihnen, Geräte zu basteln, mit denen Signale abgerufen und verlängert werden. „So etwas gibt es nicht als billiger Bauteilkasten“, so Brück.

Während ein Täter dieses Gerät bedient, steht ein zweiter vor dem Fahrzeug und bringt es weg, nachdem die Sicherungstechnik außer Kraft gesetzt worden ist. Einer oder beide sind nur schemenhaft auf Aufnahmen zu erkennen, sofern überhaupt Kameras vor dem Haus installiert wurden und den Tatablauf festhielten.

In jedem Fall teilen sich Täter die Arbeit. Nachdem eine „Bestellung“ eingegangen ist, späht ein Täter Städte und Gemeinden aus, um entsprechende „Ware“ zu finden. Dann schlagen Diebe zu. Ein weiterer Mittäter erledigt die Fahrt zum Abnehmer über die Grenze(n). Einer von ihnen wurde vor mehr als einem Jahr in Prag verhaftet. Allerdings wurde der Pole nicht wegen schweren Diebstahls angeklagt, sondern nur wegen versuchter Hehlerei. Denn er war lediglich der Fahrer eines Premiumautos. Der 35-Jährige hatte von einem Unbekannten 500 Euro geliehen und sich dafür als Beifahrer zur Verfügung gestellt, um ein Auto in seine Heimat zu bringen.

Unterwegs und zu nächtlicher Stunde wurde er jedoch aufgefordert, das Fahrzeug zu übernehmen und nach Polen zu fahren. Doch schon in Tschechien klickten die Handschellen. Am Ende fühlte er sich selbst betrogen. Da der Pole keine Vorstrafen hatte, wurde er lediglich zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt (die PZ berichtete). Nach Auskunft der Polizei ein typischer Fall: Oft werden nur die „Überführer“ gefasst, nicht aber die Diebe oder Auftraggeber. Sie engagieren gerne für ein geringes Honorar unbescholtene Personen, die auf Geld angewiesen sind und keine Ahnung von der Tat haben.

Ebenso auffällig: Selten kommen die kompletten Fahrzeuge irgendwo in Osteuropa an. „Oft sind es nur Einzelteile“, sagte Brück. Zielländer sind dafür vor allem Polen und die Ukraine. In Polen hob die Polizei vor ein paar Jahren sogar eine Werkstatt aus, die solche Fahrzeuge „zerlegte“. Aber auch in China sind jüngst Teile entdeckt worden.

Das Starten des Motors entspricht bei Keyless-Go-Systemen in etwa dem automatischen Ent- und Verriegeln von Autotüren, nur dass hier der Motorstart-/Stoppknopf gedrückt wird.  | © Erik Grønne, CC BY-NC-SA 2.0
Das Starten des Motors erfolgt bei Keyless-Go-Systemen über den Engine Button. | © Erik Grønne, CC BY-NC-SA 2.0

Nur in Einzelfällen gelang es der Polizei bisher, Fahrzeuge sicherzustellen und ihren Eigentümern zurückzugeben. Dabei leisteten Schleierfahnder wertvolle Arbeit. Nicht selten ereignen sich solche Diebstähle in den frühen Morgenstunden. So auch jüngst in Waldeck, wo der teure silberfarbige Audi zwischen ein Uhr und fünf Uhr gestohlen wurde.

Das Polizeipräsidium Oberpfalz rät daher weiterhin dazu, hochwertige Fahrzeuge nicht einfach nur am Straßenrand oder in ungesicherten Carports zu parken, sondern nach Möglichkeit in abschließbaren Garagen oder zumindest an gut beleuchteten und belebten Straßen. Außerdem sollten fremde Personen oder Fahrzeuge mit auswärtigen Kennzeichen, die mehrmals auffällig und langsam durch Straßen „streifen“, der Polizei gemeldet und Kennzeichen notiert werden. Keinesfalls sollten Fahrzeugschlüssel mit Keyless-Go-Technik in der Nähe der Haus- oder Wohnungstür aufbewahrt werden, sondern möglichst in gesicherten Schlüsseltresoren. Und dringend sollte auch ein Funksignal durch geeignete Maßnahmen abgeschirmt werden, etwa durch ein Schlüsseletui mit Cryptalloy-Folie.

„Nur wenn das Fahrzeug auch nicht geöffnet werden kann, wenn ein ,abgeschirmter‘ Schlüssel direkt neben die Fahrzeugtür gehalten wird, haben die Diebe keine Chance“, erläutert die Polizei. Da regelmäßige Diebstähle auf Dauer schlecht fürs Image sind, bieten erste Fahrzeughersteller seit Mitte 2018 eine Nachrüstung für Keyless-Go-Schlüssel an. Diebe sollen sie nicht mehr so leicht knacken können. Daher lohnt es sich, beim Hersteller nachzufragen, ob der Komfortzugang für ein Fahrzeug temporär deaktiviert werden kann. Das ergibt Sinn, wenn ein Auto außerhalb einer Garage abgestellt wird.

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