Praktisch – aber auch sicher?

Praktisch – aber auch sicher?

Immer öfter werden teure Keyless-Go-Autos gestohlen. Auch im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Handschellen klickten für die Diebe schon in Prag

2. 2. 2018 - Text: Klaus Hanisch

 

Früh am Morgen steht der 40.000 Euro teure BMW X3 plötzlich nicht mehr vor der Tür. Sein Besitzer verständigt umgehend die Polizei über den Diebstahl, der sich in einer Gemeinde im Landkreis Bad Kissingen ereignet hat. Nachdem das Auto per GPS aufgespürt werden kann, überprüft das Bayerische Landeskriminalamt seinen Standort. So kommt heraus, dass es gerade in der Tschechischen Republik gefahren wird. Die tschechische Polizei, sofort informiert, winkt das Fahrzeug kurz vor Prag aus dem Verkehr und nimmt den Fahrer fest.

Das Auto wurde im August vergangenen Jahres gestohlen. Ein 35-jähriger Pole stand nun deshalb vor Gericht. Als Zeuge sagte der ermittelnde Kriminalbeamte aus, dass allein in der Region Main-Rhön eine ganze Reihe von teuren Keyless-Go-Autos entwendet wurden.

Und die Diebstahlserie geht weiter, nun auch nahe der deutsch-tschechischen Grenze. Jüngst meldete die Kriminalpolizei Regensburg, dass ein mit Keyless-Go-Technik ausgestattetes Auto in Schönthal im Landkreis Cham verschwunden ist. Dort klauten Unbekannte im Schutz der Dunkelheit einen BMW 335 im Wert von etwa 50.000 Euro.

Laut ADAC lassen sich Autos mit Keyless-Go-System leichter stehlen.

Bei dieser „schlüssellosen“ Technik haben früher gebräuchliche Schlüssel ausgedient, mit denen Autos geöffnet oder gestartet wurden. Stattdessen hat ein Autobesitzer einen Funkschlüssel, der über Sensoren mit dem Auto verbunden ist. Sobald er sich dem Auto nähert, entriegelt es sich automatisch. Gestartet wird das Fahrzeug dann per Knopfdruck. Keyless-Go wird vor allem in hochwertigen Autos eingebaut und soll für noch mehr Komfort sorgen. Gerade auf solche Autos haben sich Diebe nun  spezialisiert. Zwar bewahrt der Besitzer die Originalschlüssel von Keyless-Go-Autos bei sich auf. Trotzdem knacken und starten Diebe die Fahrzeuge reihenweise.

Dafür setzen sie selbst moderne Technik ein. Eine spezielle Software stellt über mehrere Meter eine Funkbrücke zwischen dem Schlüssel (im Haus) und dem geparkten Fahrzeug her. So dauert ein Diebstahl nur wenige Sekunden. Und er verläuft geräuschlos, denn die Diebe müssen keine Autoscheibe einschlagen oder ein Türschloss aufdrehen. Zudem wird das Auto nicht beschädigt. Zwar ist die Polizei bei Autodiebstählen nicht immer sicher, wie Diebe vorgegangen sind und ob tatsächlich ein Keyless-Go-System geknackt wurde. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) verweist darauf, dass Hersteller die Schutzmechanismen ständig weiter entwickeln würden.

Dagegen kommt der ADAC zu dem Schluss, dass Autos mit einem Keyless-Go-System deutlich einfacher zu stehlen seien. Diese Erkenntnis zog der Automobilclub aus eigenen Tests mit Autos verschiedener Modelle. Demnach seien alle untersuchten und mit Keyless-Go ausgestatteten Autos mit einer selbst gebauten Funk-Verlängerung in Sekundenschnelle zu öffnen und fahrbereit gewesen.

Erschreckend dabei: Komponenten für die Geräte, mit denen die verschlüsselten Signale der Funkschlüssel verlängert werden, lassen sich ganz einfach zusammenbauen. Es gebe sie in jeden Baumarkt für lediglich rund 100 Euro, wurde ein ADAC-Sprecher von norddeutschen Medien zitiert. Zudem würden solche Geräte auch im Internet zum Kauf angeboten.

 Das Starten des Motors entspricht bei Keyless-Go-Systemen in etwa dem automatischen Ent- und Verriegeln von Autotüren, nur dass hier der Motorstart-/Stoppknopf gedrückt wird.      | © Erik Grønne, CC BY-NC-SA 2.0

Auf Überwachungsvideos ist zu sehen, wie die Diebe „arbeiten“. So stellte sich ein Täter mit der selbstgebauten Funk-Verlängerung an die Eingangstür eines Hauses. Dort fing er das Signal des Autoschlüssels auf, der im Hausflur auf einer Kommode lag. Derweil stand ein Komplize mit einem weiteren Gerät am Auto, fing das Signal des Schlüssels auf und leitete es mit Hilfe eines Verstärkers an den Bordcomputer weiter.

Teure Luxusautos mit Keyless-Go-Technik werden mittlerweile im gesamten Bundesgebiet entwendet. In Siegenburg (Landkreis Kelheim) kam erst vor wenigen Tagen ein versperrt abgestellter und etwa 80.000 Euro teurer Audi SQ 5 TDI aus der Hofeinfahrt seines Besitzers abhanden. Weitere Diebstähle ereigneten sich im Kreis Stormarn in Schleswig-Holstein. Dort stahlen Unbekannte in kurzer Zeit einen Mercedes C 250 im Wert von etwa 35.000 Euro und einen Audi Q7, der rund 95.000 Euro kostet, sowie einen gleich teuren Mercedes 218 AMG.

Um Diebstählen vorzubeugen, rät die Kriminalpolizei den Besitzern von Autos mit Keyless-Go-Systemen, ihre Schlüssel nicht in der Nähe des Eingangs oder an Fenstern aufzubewahren. Vielmehr sollten sie in Schlüsseltresoren oder in Mäppchen mit spezieller Folie gelagert werden. Zudem sollen Fahrzeuge immer in der Garage abgestellt und abgeschlossen werden.

Die Diebe oder die Auftraggeber werden nur selten gefasst.
 

Merkwürdig verlaufen oft die Taten selbst. So wurde der in Prag verhaftete Pole nicht wegen schweren Diebstahls angeklagt, sondern wegen versuchter Hehlerei. Denn er war nur der Fahrer des Premiumautos, nicht aber der Dieb. Der Angeklagte hatte vor Gericht angegeben, dass er sich bei einem Unbekannten 500 Euro geliehen habe und dafür ein Auto als Beifahrer nach Polen überführen sollte. Während der nächtlichen Fahrt sei er von dem Geldgeber jedoch aufgefordert worden, den auf einer Landstraße abgestellten BMW zu übernehmen. Erst nachdem er in die Fänge der tschechischen Polizei geraten war, sei ihm klar geworden, dass er betrogen wurde.

So werden meist nur „Auto-Überführer“ gefasst, nicht aber Diebe oder Auftraggeber. Sie engagieren gerne für geringes Honorar unbescholtene Personen, die auf Geld angewiesen und anscheinend ahnungslos sind. Auch der 35-jährige Pole hatte keine Vorstrafen und wurde zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Davon hatte er bereits fünf Monate abgesessen, einen Teil davon in Tschechien.